Vampir à la carte (German Edition)
und er würde niemals zulassen, dass ihr irgendetwas zustößt. Das kann ich dir versprechen.«
Alex fragte sich, wie viel das Versprechen eines Vampirs wohl wert war. Konnten sie genauso gut lügen wie normale Menschen?
»Natürlich können wir das, aber das mache ich gerade nicht«, antwortete Marguerite und ging vor Alex her ins Nebenzimmer. Hinter ihr wurde die Tür geschlossen. »Möchtest du erst noch zur Toilette gehen?«
Wäre sie in der Lage gewesen, den Kopf zu drehen, dann hätte sie die Frau restlos überrascht angesehen – obwohl es dazu keinen Grund gab, denn es war eigentlich überhaupt nicht überraschend, dass sie sogar in diesem Punkt über sie Bescheid wusste. Immerhin las sie all ihre Gedanken, also auch den, der ihr dringendes Bedürfnis anging. Dass sie sterben musste, daran gab es längst keinen Zweifel mehr, aber sie wollte doch wenigstens ein gewisses Maß an Würde dabei wahren.
»Du wirst nicht sterben«, sagte Marguerite ein wenig ungehalten. »Und du kannst reden. Ich habe nicht die Kontrolle über deine Stimmbänder übernommen.«
»Wäre ich nie draufgekommen«, murmelte Alex.
Marguerites Lachen war wie ein helles Glockenspiel, während sich Alex’ Füße auf eine weitere Tür im Zimmer zubewegten. »Geh ruhig zur Toilette. Aber versuch bitte nicht zu fliehen, du würdest nicht sehr weit kommen.«
Alex verzog den Mund, da sie fand, dass das wohl ziemlich offensichtlich war. An der Tür angekommen bemerkte sie erstaunt, wie der fremde Wille abebbte, der sie bis dahin im Griff gehabt hatte.
»Ich glaube, das Weitere kannst du jetzt allein erledigen«, meinte Marguerite. »Ich werde hier draußen auf dich warten.«
Erleichtert stellte Alex fest, dass sie offenbar wieder Herr über ihren Körper war, denn als sie den Kopf zu der anderen Frau umdrehen wollte, war sie dazu auch in der Lage. Marguerite lächelte ihr aufmunternd zu, und sie ging weiter ins Badezimmer, schloss die Tür hinter sich und ließ sich dagegensinken. Ihre Knie fühlten sich weich wie Pudding an. Sie hatte sich in die Höhle des Löwen begeben und nun saß sie in der Falle. Es gab keinen Zweifel daran, dass sie diesen Leuten nicht entkommen würde, wenn die mit solcher Leichtigkeit mit ihrem Körper anstellen konnten, was sie wollten. Und selbst wenn es ihr gelingen sollte, aus dem Haus zu entwischen, wusste sie doch, wie es um die Sicherheitsvorkehrungen rund um das Grundstück bestellt war. Die Zäune standen unter Strom, alles wurde mit Kameras überwacht, und die Wachleute waren schwer bewaffnet. Nein, sie würde hier nicht wegkommen. Allerdings wollte sie das auch gar nicht, wenn sie nicht auch Sam mitnehmen konnte.
Ein Ruf holte Cale aus den Höllenqualen, die sein Leib erleiden musste. Im ersten Moment fürchtete er, es könnten weitere Sterbliche aufgetaucht sein, die nach ihm suchten. Das wäre gar nicht gut. Er war geschwächt, und er hatte Schmerzen, und ihm war im Augenblick überhaupt nicht nach Gesellschaft. Außerdem hatte er kein Blut mehr, und da er noch viel mehr davon benötigte, konnte er sich nicht vorstellen, dass er noch in der Lage war, sich weiterhin so zu beherrschen wie beim ersten Mal.
Als der Wagen auf ihn zugefahren kam, hatte sein erster Instinkt ihn dazu veranlassen wollen, in den Geist des Fahrers einzudringen und ihn anzuweisen, er solle einfach weiterfahren. Dann jedoch war sein Blick noch einmal zu der Baumgruppe gewandert, und als er sich der Entfernung zu ihr bewusst wurde, überlegte er es sich anders. Er hätte die Strecke bis dorthin niemals aus eigener Kraft bewältigen können. Also übernahm er die Kontrolle über den Fahrer und ließ ihn anhalten, was er vermutlich sowieso getan hätte. Dann ließ er die beiden Insassen aussteigen, bei denen es sich glücklicherweise um zwei kräftige junge Männer Anfang zwanzig handelte.
Als die beiden vor ihm standen, sammelte er die letzten zwei Blutbeutel ein und steckte sie in seine Manteltasche, dann ließ er sich von ihnen zu der Baumgruppe tragen. Wegen des Schnees und des unebenen Untergrunds dauerte diese Aktion viel länger, als Cale sich das erhofft hatte, denn als sie ihn endlich im Schutz der Bäume ablegten, da war der Heilprozess bereits in vollem Gang. Cales Selbstbeherrschung hing damit an einem seidenen Faden, und allein das Wissen, dass er noch zwei volle Blutbeutel bei sich hatte, hielt ihn davon ab, einen der Männer oder sogar alle beide anzugreifen und ihr Blut zu trinken. Kaum lag er auf dem Boden,
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