Vampir-Expreß
keine Rolle. Nur die Tatsache, dass er dort lag und durch die Scheibe in das Wageninnere schaute, zählte. Die anderen Gäste hatten den Blutsauger zum Glück noch nicht bemerkt, und ich wollte auch nicht, dass die anderen Mitreisenden von der Existenz echter Vampire etwas erfuhren. Die Scheibe war beschlagen. Die Tropfenbahnen hatten ein Muster hinterlassen und verzerrten auch das Gesicht des Blutsaugers. Für mich war es in diesen Augenblicken nicht mehr als eine bleiche Maske.
Zum Glück stand der Zug. Ich wusste leider nicht, wie lange der Aufenthalt dauerte, hoffte aber, dass mir genug Zeit blieb, den Blutsauger vom Wagendach »pflücken« zu können.
Ich sprang nicht wie ein Irrer in die Höhe, sondern drückte mich allmählich vom Stuhl hoch und schritt nach rechts, dem Mittelgang entgegen. Dabei schielte ich in die entgegengesetzte Richtung, weil ich den Blutsauger im Auge behalten wollte.
Er behielt fast seine Stellung. Allerdings hatte er seinen Kopf wieder zurückgenommen und presste nur noch die bleiche Klaue gegen die Außenseite.
Den Ausgang erreichte ich mit wenigen Schritten.
Es war natürlich riskant, auf dem Wagen herumzuturnen. Auch wollte ich nicht gern gesehen werden. Schnell öffnete ich die Tür des nächsten Wagens.
Ziemlich leicht schwang sie auf. Kühle Luft traf mich. Es war zu merken, dass wir an Höhe gewonnen hatten, denn irgendwie hatte ich das Gefühl, Schnee riechen zu können. Der Zug stand auf freier Strecke. Ich war neben dem Wagen stehen geblieben, hatte die breite Tür wieder angelehnt und schaute nach vorn. Nur die Wagenschlange war zu sehen.
Sie erinnerte mich an einen düsteren Wurm, der, ein wenig nach rechts gelehnt, in der Finsternis verschwand.
Es war mittlerweile dunkel geworden, und die Szenerie passte prima zu einem Vampirfilm.
Ein blasser Mond stand am Himmel, der einen bläulichen Schein besaß und vor dessen Kugel gewaltige Wolkenfetzen trieben, die ebenfalls durch das abgegebene Licht des Erdtrabanten blaugrau schimmerten. Es war auch windiger geworden. In der Ferne erkannte ich dunkle, hohe Höcker. Das mussten bereits die Karpaten sein, diese bekannte Gebirgskette, wo auch Petrila liegt.
Das alles sah ich und dachte auch darüber nach, als ich den Weg an der Wagenschlange zurückschlich, um den Speisewagen zu erreichen, auf dessen Dach der Blutsauger hockte.
Ich vermied es, über den Schotter zu laufen und hielt mich im toten Winkel der Fenster, damit ich vom Innern des Zuges nicht gesehen werden konnte.
Vor meinen Lippen dampfte der Atem. Ich spürte die innere Erregung. Der erste Kampf stand mir bevor, und wie eine Einladung wirkte die Leiter, die zum Dach des Speisewagens hoch führte. Sie war sehr schmal, dafür gab es nur wenige Sprossen. Das Eisen war glatt und feucht. Ich hielt mich jedesmal mit beiden Händen fest, musste dabei große Schritte machen, um die nächste Sprosse zu erreichen und hielt schließlich die letzte Sprosse mit beiden Händen umklammert. Jetzt konnte ich auf das Dach schauen. Es war leer. Enttäuschung malte sich auf meinem Gesicht ab, bis ich genauer hinsah und den dunklen Buckel bemerkte, der sich wie ein Halbkreis vom Dach abhob.
Ich kletterte jetzt auf das Wagendach und blieb geduckt stehen. Meiner Ansicht nach konnte der sich vor mir abzeichnende dunkle Gegenstand nur der Vampir sein. Und er lauerte darauf, mir an den Kragen gehen zu können.
Ich wollte noch näher an ihn heran und bewegte mich geduckt vorwärts. Dabei brachte ich meine Hand in die Nähe des Silberdolchs. Auf die Beretta verzichtete ich gern. Ein Treffer hätte ihn zwar auch vernichtet, der Schuss aber wäre gehört worden. Noch ahnten die Reisenden ja nichts, und das sollte auch so bleiben.
Zwei Schritte hatte ich bereits hinter mich gebracht und wollte schon den Dolch ziehen, als der Vampir reagierte.
Er hatte mich reingelegt. Nicht er griff mich an, nein, er machte es geschickter und schleuderte mir etwas Dunkles, Großes entgegen, das vor meinem Kopf auseinander flatterte.
Im letzten Augenblick erkannte ich den dunklen Umhang, dessen Innenfutter heller schimmerte. Ich duckte mich noch, einen Sprung zur Seite konnte ich nicht wagen, sonst wäre ich über den Rand gefallen. Wie ein großes Netz fiel der Umhang auf meinen Körper. Um mehr Halt zu haben, ließ ich mich sofort auf die Knie fallen, riss dabei den rechten Arm hoch und stach mit dem Dolch zu. Die Spitze drang leicht durch den Stoff, ich zog die Klinge zur mir hin, so dass ein Spalt
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