Vampir-Expreß
verlaufende, sehr breite Lichtleiste. Ich hatte meinen Kopf eingezogen, da ich nicht wollte, dass mich die im Zug sitzenden Reisenden sahen.
Der letzte Wagen. Ich stoppte so hart, dass ich auf dem feuchten Untergrund fast ausgerutscht wäre. Wo steckte der Blutsauger? Die Dunkelheit konnte man mit dem Wort schwarz bezeichnen. Neben der letzten Tür war ich stehen geblieben und starrte nach vorn. Leichter Nebel lag über dem Land. Ich roch auch den Qualm der Lok und hörte ein lautes Zischen.
Ich bin zwar kein Eisenbahner, rechnete aber damit, dass dieses Zischen seinen Grund hatte. Wahrscheinlich würde der Zug bald abfahren.
Und den Vampir hatte ich noch nicht gesehen.
Meiner Ansicht nach befand er sich auch nicht im Zug, denn ich hatte weder das Öffnen noch das Zuschlagen einer Tür vernommen. Der Blutsauger konnte sich noch hier draußen verborgen halten. Aber wo?
Mit den Blicken versuchte ich, die Finsternis zu durchbohren. Es gelang mir nicht. Die Welt schien sich zu bewegen. Die Nebelschwaden, so dünn sie auch waren, wallten wie träge, durchsichtige Leichentücher, die vom Wind getragen wurden.
Ich ging weiter nach vorn. Jetzt hatte ich den Wagen passiert, konnte das Gleis so weit zurückverfolgen, bis es von der Finsternis aufgesaugt wurde.
Keine Spur von meinem Gegner.
Allmählich wurde mir doch mulmig, und ich erschrak sogar, als ich den schrillen Pfiff der Lok hörte. Im nächsten Augenblick schien sich der Zug zu rütteln, durch die Wagen ging ein Ruck, dann fuhr der Express an. Ich drehte mich.
Niemand hatte wohl bemerkt, dass ich den Zug verlassen hatte, und niemand würde es auch bemerken, wenn ich fehlte. Höchstens Dragan, mein Begleiter.
Ich rannte ein paar Schritte neben dem letzten Wagen her, fasste nach einem Haltegriff neben einer Tür und zog mich hoch. Jetzt öffnete ich die Tür und stieg die letzten beiden Stufen hoch.
Mit einem Bein war ich schon im Wagen, da schoss aus toten Winkel eine dunkle Gestalt hervor.
Es war der von mir gesuchte Vampir. Das alles hätte mich nicht einmal umgehauen, aber dieser Blutsauger hatte es verstanden, sich zu bewaffnen. In der rechten Hand schwang er eine kleine Axt, und damit wollte er mich killen!
***
Der Pfeil des Liebesgottes Amor hatte den jungen Dragan Domescu tatsächlich getroffen. Anders ausgedrückt, Dragan hatte sich verliebt. Vera Bogdanowich hieß das Mädchen, und Dragan hatte sich fest vorgenommen, um sie zu kämpfen. Er wollte es nicht zulassen, dass Ada, dieser alte Drachen, weiterhin die Kontrolle über seine Auserwählte ausübte. Dragan wollte alles daransetzen, um Vera aus den Klauen dieser Frau zu befreien. Der Zufall hatte ihnen dasselbe Abteil beschert, so würde es die Alte auch nicht schaffen, ihn hinauszuwerfen. Dieser Engländer John Sinclair war zwar ein feiner Kerl, aber im Falle Vera reagierte er falsch. Er hätte sie nicht gehen lassen sollen, denn Vera war schutzlos. Und dass sie nicht zu den Vampiren zählte, hatte man inzwischen auch festgestellt.
Der Weg zum Abteil kam Dragan viel länger vor als sonst. Er fieberte dem Treffen mit Vera entgegen. Dabei konnte er auch nicht so schnell vorankommen, denn in den Gängen standen die Fahrgäste, unterhielten sich oder tranken ein Glas.
»Sie haben es aber eilig«, wurde er angesprochen »Ja.«
»Auf dem Balkan braucht man Zeit.«
»Das weiß ich, denn ich stamme selbst von hier.« Dragan gab stets knappe Antworten. Er wollte sich nicht länger als nötig aufhalten. Seiner Ansicht nach war jede Sekunde wichtig.
Endlich hatte er sein Ziel erreicht. Vor der Abteiltür blieb er einen Moment stehen und atmete tief durch. Hineinschauen konnte er nicht, denn rechts und links der Tür waren von innen her die Vorhänge vorgezogen.
Dragan grinste hart. Natürlich, die Alte wollte keine Zeugen haben, wenn sie ihre Nichte maßregelte. Aber da sollte sie sich gewaltig geschnitten haben.
Dragan umklammerte den Griff, um die Tür aufzuziehen. Abgeschlossen!
Er nahm die Hand zurück und ballte sie zur Faust. Damit hatte er nicht gerechnet. Wütend klopfte er an.
Adas Stimme klang aggressiv, als sie fragte: »Was ist los? Ich möchte meine Ruhe haben.«
»Und ich will in mein Abteil.«
»Nein, jetzt nicht!«
Dragan Domescu war über diese Antwort konsterniert. Er konnte es nicht fassen, schüttelte den Kopf, wurde zuerst bleich, dann rot vor Wut.
»Wollen Sie mir verbieten, das Abteil zu betreten, für das ich bezahlt habe?«
»Ja, das will ich. Kommen Sie später
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