Vampir sein ist alles
in der Stadt, am helllichten Tag.“
„Einen Timberwolf vielleicht? War er grau? Bist du sicher, dass es kein Kojote war? Ich habe nämlich gerade einen Artikel über Kojoten gelesen. Da stand, dass sie allmählich in vielen Großstädten zum Problem werden. Und da war ein tolles Foto von einem Kojoten, der in San Francisco in einem Aufzug gefangen war.“
Ich schüttelte den Kopf. Ich glaubte nicht, dass ich einen Wolf von einem Kojoten unterscheiden könnte. „Ich weiß nur, es war kein Hund.“
„Und es steckte ein Mensch darin?“
„Auf der Astralebene habe ich einen Mann zusammen mit dem Wolf gesehen, sozusagen in einer Gestalt. Er hat nicht zufällig hier angerufen, oder?“
„Der Werwolf?“
„Nein, Sebastian!“, rief ich, und William schüttelte den Kopf. „Dann checke ich sicherheitshalber kurz den Anrufbeantworter.“
„Ja, kein Problem. Heute ist es sowieso total ruhig.“
So war es im Sommer immer. Die Studenten hatten Semesterferien, und wir hatten zwar auch Stammkunden, aber die Touristen bummelten meist einfach nur an den Schaufenstern entlang und kauften nicht viel. Ich nickte und ging nach hinten ins Büro.
Dort setzte ich mich auf den alten Holzdrehstuhl und holte den Anrufbeantworter unter ein paar Rechnungen hervor. Mein Herz setzte einen Schlag aus, als ich das rote Lämpchen blinken sah. Die erste Nachricht war von einer ortsansässigen Künstlerin, die anfragte, ob wir vielleicht ihre Töpferwaren mit Göttinnen-Motiven in Kommission nehmen wollten. Ich notierte ihre Nummer. Die zweite Nachricht war von Slow Bob, unserer Aushilfe. Er wollte wissen, ob wir ihn diese Woche brauchten.
Kein Wort von Sebastian.
Ich seufzte. Obwohl ich nicht unbedingt erwartet hatte, dass er mir eine Nachricht im Laden hinterlassen hatte, war ich enttäuscht.
Einer spontanen Eingebung folgend, rief ich Slow Bob an. Er hatte diesen Spitznamen bekommen, weil er zwar sehr gewissenhaft, aber nicht gerade der Schnellste war. Er war ein Ordnungsfanatiker, doch es endete in einer Katastrophe, wenn man ihn bei Hochbetrieb an die Kasse stellte, was wir natürlich häufig taten, wenn wir alle Hände voll zu tun hatten. Ich erreichte nur Bobs Mailbox und hinterließ ihm die Nachricht, dass er am nächsten Tag die Nachmittagsschicht übernehmen konnte, wenn er wollte.
Es war gut möglich, dass ich die Zeit brauchte, wenn ich bis dahin immer noch nichts von Sebastian gehört hatte.
Als Nächstes rief ich die Künstlerin zurück und bat sie, am kommenden Dienstag mit ein paar Arbeitsproben vorbeizukommen. Sie war außer sich vor Freude, und mich freute es wiederum, dass ich ihren Tag gerettet hatte.
Ich legte Sebastians schwarzes Buch auf die Schreibunterlage, schlug es auf und griff zum Hörer. Dann schaute ich auf die Uhr an der Wand. Es war fast elf. Wie wahrscheinlich war es, um diese Zeit überhaupt jemanden zu Hause anzutreffen? Bestimmt hatten sie alle einen Job. Ich brauchte also nur schnell überall eine Nachricht zu hinterlassen und zu fragen, ob jemand Sebastian in den vergangenen Stunden gesehen hatte.
Ich starrte den ersten Namen in dem Buch an: Alison.
Das Herz schlug mir bis zum Hals, als das Rufzeichen ertönte. Von ihrer munteren Stimme auf der Mailbox her war sie vielleicht halb so alt wie ich. Britney Spears sang noch ein paar Takte, bevor der Piepton kam. Ich trug stammelnd meine Bitte vor, hinterließ meine Nummern vom Laden und von zu Hause und faselte viel zu lange herum, bevor ich auflegte.
Die Sache gestaltete sich doch viel schwieriger, als ich erwartet hatte. Es war schon schlimm genug, dass ich eine ganze Liste von Namen hatte, die mir ständig im Kopf herumgingen, und jetzt auch noch Britney Spears? Nun tauchten schreckliche Bilder von Sebastian und einer vielleicht gerade mal volljährigen jungen Frau in Schuluniform vor meinem geistigen Auge auf!Stand er auf so etwas? Und stellte er sich etwa, während er mit mir rummachte, Alison mit Ringelsöckchen und Pompons vor?
Hilfe!
Ich stand auf und fing an, Ordnung zu schaffen. Ich räumte auf, wischte Staub und heftete Unterlagen ab. Während ich Papierkörbe füllte, leerte ich meinen Kopf. Um nicht an Alison denken zu müssen, beschäftigte ich mich unentwegt. Als ich mit dem Büro fertig war, nahm ich das Ladenlokal in Angriff, und obwohl die Klimaanlage eingeschaltet war, kam ich gehörig ins Schwitzen.
Als ich das nächste Mal aufsah, schaute ich in ein Gesicht, das mir bekannt vorkam. Während ich noch versuchte, die
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