Vampirdämmerung / Roman
Stirn. »Ich bin ein junger Inkubus, der die Stadt unsicher machen will.«
Er hatte also in ihren Zeitschriften gelesen. »So leicht lässt eine Mutter sich abschütteln?«
Er lachte. »Niemals. Du wirst stets meine Mutter sein, aber ich kann nicht auf immer dein Junge bleiben.«
Sylvius faltete seine Flügel eng an seinen Rücken, so dass sie beinahe unsichtbar wurden. Trotzdem sah er nicht menschlicher aus. Obgleich er stark und gut gebaut war wie alle hübschen jungen Männer, hätte man ihn nie für einen der Farmjungen gehalten, die Constance von früher kannte. Es wäre so, als würde man ein Adlerjunges mit einem Gänseküken verwechseln.
Ich zog diese wunderschöne, weise junge Kreatur auf. Ist das möglich?
»Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn Mac dich nicht zurückgebracht hätte.« Sie fühlte, wie ihr die Tränen kamen.
»Du hättest mich geholt.« Er küsste sie wieder auf die Stirn. »Du bist ebenso sehr Krieger wie dein Mann.«
Sie wandte den Blick ab. »Ich bin nicht verwandelt.«
»Du könntest es sein.«
»Lor sagt, wenn ich die Burg verlasse, werde ich zu einer wilden Bestie.«
Sylvius lachte. »Das glaube ich kaum.«
Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht. »Lors Volk besitzt die Gabe der Prophezeiung.«
»Und bisweilen lebt Lor, als hielte er eine zerbrochene Tasse in beiden Händen und fürchtete sich, die Scherben fallen zu lassen.«
»Was bedeutet das?«
»Vielleicht müssen die Scherben fallen, damit wir beide Hände frei haben.«
Constance lehnte sich an ihn. »So leicht ist es nicht, und du willst einfach nur widersprechen.«
Er drückte sie an sich. »Spring auf das Glück zu!«
Für einen Liebesdämon ist das leicht gesagt.
Constance lachte leise und fürchtete sich vor der Verlockung, die sich in ihrer Seele zusammenbraute. Ob er es wusste oder nicht: Sylvius sagte ihr, was sie hören wollte.
»Ich gab dir dies, um dein Herz zu öffnen.« Wieder berührte er den Anhänger. »Es tat, was es sollte. Mach nicht zunichte, was es dir Gutes brachte! Du kannst in Furcht leben oder der Mensch sein, als den du dich erträumst.«
»Das Gute, das es mir brachte? Sylvius, ist es ein Liebeszauber?« Sie umfing den Anhänger mit ihrer Hand. »Ich habe dich wohl kaum erzogen, um solche Dinge zu tun!«
»Der Anhänger kann dich nicht dazu bringen, dich zu verlieben. Er zeigt dir nur Möglichkeiten auf. Anscheinend gefielen dir die Möglichkeiten, die er dir offenbarte.«
Constance war sprachlos. Dann schluckte sie angestrengt. »Das ist … das ist …«
Sylvius schmunzelte zufrieden. »Dein Mac ist hier, um dich zu sehen.«
»Hier? Jetzt?« Sie stand auf und umrundete die Steinbank, mehr als bereit zu gehen.
Sylvius erhob sich ebenfalls, sprang allerdings auf die Bank, dann wieder hinunter und breitete seine Flügel aus, um neben Constance zu landen. »Er überredete Lor, herzukommen und die Tür des Sommerzimmers mit Schutzzaubern zu versehen. Auch die Zimmer daneben, so dass ich dort schlafen kann.«
Sylvius sah ein wenig trotzig aus, aber Constance schwieg. Es war nur recht, dass er seine eigenen Räume bekam, auch wenn sie sich immer noch sorgte, sowie sie ihn nicht sehen konnte. Sie würde eine Weile brauchen, bis sie über die Angst um ihn hinwegkam.
Und um einen besseren Plan zu ersinnen als den, sich hinter geschlossenen Türen zu verschanzen, die von Höllenhunden gesichert waren.
Sie wünschte, sie könnte die Burg verlassen. Aber vielleicht sollte Sylvius es zuerst tun.
Er beobachtete sie aufmerksam. »Nichts bleibt wie zuvor, kleine Mutter. Alle Dinge ändern sich. Es liegt bei uns, sie besser zu machen.«
Constance brachte ein Lächeln zustande, das sie nicht empfand, als Sylvius über ihre Wange strich. Seine Hand war warm und die Geste voller sanfter, weicher Magie des Inkubus. Streichelnd wie das Sonnenlicht, das Constance so gut wie vergessen hatte. Zähmend. Besänftigend.
Ihr Lächeln wurde wie von selbst wahrer. Mac wartete auf sie! Alles würde wunderbar.
Das wünschte sie sich von ganzem Herzen.
Sylvius brachte Viktor in seine neu geschützten Zimmer und ließ Constance und Mac allein im Sommerzimmer.
Sie blickte auf und schaute in Macs tiefbraune Augen. Er war eindeutig müde, aber froh, sie zu sehen. Sie küssten sich, und Constance überkam der unweigerliche Drang, ihn näher zu sich zu ziehen und den Kuss zu einem zu vertiefen, der mehr Geheimnisse und Wonnen versprach. Vor allem aber wollte sie ihn trösten.
»Hast du mit
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