Vampire Academy 02 ● Blaues Blut
nichtssagende Kleidung bewies, dass sie absolut keine Fantasie besaß -, hätte ich ihre Geschichte garantiert für eine Lüge gehalten. Es war mehr als eine Geschichte.
Es war ein Epos, die Art von Ereignis, aus der ein mit zahllosen Oscars prämierter Kinofilm gemacht wurde.
Sie erzählte von einem Ball bei einer anderen prominenten königlichen Familie, den ihr Schützling Lord Szelsky gemeinsam mit seiner Frau besucht hatte. Mehrere Strigoi hatten ihnen aufgelauert. Meine Mutter entdeckte einen, pfählte ihn prompt und verständigte dann die anderen anwesenden Wächter. Mit ihrer Hilfe brachte sie die restlichen Strigoi zur Strecke, die sich dort herumtrieben, und tötete die meisten von ihnen höchstpersönlich.
„Es war nicht leicht”, erklärte sie. Aus dem Mund eines jeden anderen hätte diese Feststellung nach Prahlerei geklungen. Nicht bei ihr. Die Art, wie sie sprach, hatte etwas Energisches, eine effiziente Methode, Fakten zu erörtern, die keinen Raum für Schnörkel ließen.
Sie war in Glasgow aufgewachsen, und manchmal klang ihr schottischer Akzent immer noch durch. „Es waren noch drei andere auf dem Gelände. Damals galt das als eine ungewöhnlich große Zahl von Strigoi, die zusammenarbeiteten. Heute ist das nicht mehr unbedingt so, wenn man das Badica-Massaker bedenkt.” Einige Leute zuckten angesichts der Lässigkeit, mit der sie über den Angriff sprach, sichtlich zusammen. Einmal mehr konnte ich die Leichen vor mir sehen. „Wir mussten die verbliebenen Strigoi so schnell und so unauffällig wie möglich beiseite schaffen, um nicht die Aufmerksamkeit der anderen zu erregen. Nun, wenn Sie das Element der Überraschung auf Ihrer Seite haben, ist dies die beste Methode, Strigoi zu überwältigen: Man nähert sich ihnen von hinten, bricht ihnen den Hals und pfählt sie dann. Natürlich bringt es sie nicht um, wenn man ihnen den Hals bricht, aber es betäubt sie und gibt einem die Möglichkeit, mit dem Pflock zu arbeiten, bevor sie einen Laut von sich geben können. Das Schwierigste ist, sich an sie heranzuschleichen, weil sie ein so scharfes Gehör haben. Da ich kleiner und leichter bin als die meisten Wächter, kann ich mich ziemlich leise bewegen. Also habe ich am Ende zwei der drei Strigoi selbst getötet.”
Als sie ihre Fähigkeiten in puncto Verstohlenheit beschrieb, benutzte sie wieder diesen sachlichen Tonfall. Es war aufreizend, aufreizender, als es gewesen wäre, wenn sie offenen Hochmut angesichts ihrer Ehrfurcht erregenden Leistung gezeigt hätte. Die Gesichter meiner Klassenkameraden leuchteten vor Staunen; sie interessierten sich offenkundig mehr für die Vorstellung, einem Strigoi den Hals zu brechen, als für die Analyse der erzählerischen Fähigkeiten meiner Mutter.
Sie setzte die Geschichte fort. Nachdem sie und die anderen Wächter die übrigen Strigoi getötet hatten, entdeckten sie, dass zwei Moroi von der Party entführt worden waren. Eine solche Tat war für Strigoi nicht ungewöhnlich. Manchmal wollten sie sich Moroi für einen späteren „Imbiss” aufheben; manchmal wurden rangniedere Strigoi von mächtigeren ausgeschickt, um Beute zu machen. Wie dem auch sei, zwei Moroi waren vom Ball verschwunden, und ihr Wächter war verletzt worden.
„Natürlich konnten wir diese Moroi nicht in den Fängen von Strigoi hissen”, sagte sie. „Wir haben die Strigoi bis zu ihrem Versteck verfolgt und festgestellt, dass mehrere von ihnen zusammenlebten. Sie können sicher ermessen, wie selten so etwas vorkommt.”
Es war in der Tat selten. Das bösartige, selbstsüchtige Wesen der Strigoi führte dazu, dass sie sich ebenso leicht gegeneinander wandten wie gegen ihre Opfer. Ein Zusammenschluss für Angriffe - wenn sie ein unmittelbares, blutiges Ziel vor Augen hatten - war alles, was sie im Notfall zustande brachten. Aber zusammenleben? Nein. Das war so gut wie undenkbar.
„Es gelang uns, die beiden gefangenen Moroi zu befreien, aber wir stellten dabei fest, dass noch mehr von ihnen dort gefangen gehalten wurden”, fuhr meine Mutter fort. „Aber wir konnten jene, die wir gerettet hatten, nicht allein zurückschicken, daher begleiteten die Wächter, die bei mir waren, sie hinaus und überließen es mir, die anderen zu holen.”
Ja, natürlich, dachte ich. Meine Mutter war todesmutig allein hineingegangen. Und prompt gefangen genommen worden — aber sie hatte es geschafft, zu entkommen und die Gefangenen zu retten. Dabei brachte sie etwas ganz Besonderes fertig, sozusagen
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