Vampire Academy 02 ● Blaues Blut
„Du brauchst nicht auf dein Zimmer zu gehen, aber geh auch nicht wieder dort hinein. Hoffentlich hast du nicht schon zu viel Aufmerksamkeit erregt.”
„Aus deinem Mund klingt das, als hätte ich da drin einen Lap Dance hingelegt”, entgegnete ich. „Ich habe lediglich mit Lissa zu Abend gegessen.”
„Du wärst überrascht, wie leicht man Gerüchte in die Welt setzt”, warnte sie mich. „Vor allem im Zusammenhang mit Adrian Ivashkov.” Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging den Flur hinunter.
Während ich ihr nachsah, stiegen Wut und brennender Groll in mir auf. So viel zum Thema Überreaktion! Ich hatte nichts falsch gemacht.
Ich wusste, dass sie diese Bluthurenparanoia hatte, aber dieser Auftritt war selbst für ihre Verhältnisse extrem gewesen. Und das Schlimmste von allem: Sie hatte mich aus diesem Raum gezerrt, und mehrere Leute hatten es beobachtet. Für jemanden, der angeblich nicht wollte, dass ich Aufmerksamkeit erregte, hatte sie ihre Sache ziemlich vermasselt.
Zwei Moroi, die in der Nähe von Adrian und mir gestanden hatten, kamen aus dem Raum. Sie schauten in meine Richtung und tuschelten miteinander, als sie vorbeigingen. „Danke, Mom”, murmelte ich.
Solchermaßen gedemütigt, stolzierte ich in die entgegengesetzte Richtung davon, ohne so recht zu wissen, wo ich hinging. Ich machte mich auf den Weg in den hinteren Teil der Anlage, weg von dem Partylärm.
Der Flur endete irgendwann, aber auf der linken Seite befand sich eine Tür, die zu irgendeiner Treppe führte. Die Tür war nicht verschlossen, daher stieg ich die Treppe hinauf zu einer weiteren Tür. Zu meiner Freude gelangte man durch sie auf eine kleine Dachterrasse, die anscheinend nicht häufig benutzt wurde. Sie war von Schnee bedeckt, aber hier draußen war früher Morgen, die Sonne schien und ließ alles glitzern.
Ich wischte den Schnee von einem großen, kistenähnlichen Gegenstand, bei dem es sich um einen Teil des Belüftungssystems zu handeln schien. Ohne Rücksicht auf mein Kleid setzte ich mich darauf. Dann schlang ich mir die Arme um den Leib, sah mich um und versuchte die Sonne zu genießen, was mir nur selten vergönnt war.
Einige Minuten später wurde die Tür geöffnet, und ich zuckte zusammen. Als ich mich umdrehte, erschrak ich noch mehr; es war Dimitri. Mein Herz flatterte leicht, und ich wandte mich ab, nicht sicher, was ich denken sollte. Seine Stiefel knirschten im Schnee, als er zu mir herüberkam. Einen Moment später zog er seinen langen Mantel aus und legte ihn mir über die Schultern.
Dann setzte er sich neben mich. „Sie müssen vollkommen durchgefroren sein.”
Das stimmte, aber ich wollte es nicht zugeben. „Die Sonne scheint.”
Er legte den Kopf in den Nacken und blickte in den perfekten blauen Himmel hinauf. Ich wusste, dass er die Sonne manchmal genauso sehr vermisste wie ich. „Das ist richtig. Aber wir befinden uns trotzdem mitten im Winter im Gebirge.”
Ich antwortete nicht. Eine Weile saßen wir einfach nur in behaglichem Schweigen da. Ab und zu rührte ein leichter Wind Schneewolken auf. Für die Moroi war Nacht, und die meisten von ihnen würden bald zu Bett gehen. Die Skihänge und Pisten waren bereits verlassen.
„Mein Leben ist eine Katastrophe”, sagte ich schließlich.
„Es ist keine Katastrophe”, erwiderte er automatisch.
„Sind Sie mir von der Party hierher gefolgt?”
,,Ja.”
„Ich wusste nicht mal, dass Sie da waren.” Seine dunklen Kleider ließen darauf schließen, dass er bei der Party als Wächter Dienst getan haben musste. „Sie haben also mit angesehen, wie die erlauchte Janine einen Aufruhr verursachte, indem sie mich aus dem Raum zerrte.”
„Es war kein Aufruhr. Es hat kaum jemand etwas bemerkt. Ich habe es nur gesehen, weil ich Sie beobachtet habe.”
Ich weigerte mich, angesichts dieser Bemerkung in Aufregung zu geraten. „Das ist nicht das, was ich gesagt habe”, entgegnete ich.
„Soweit es meine Mutter betraf, hätte ich genauso gut an einer Straßenecke stehen und auf Kundschaft warten können.” Ich gab das Gespräch wieder, das wir im Flur geführt hatten.
„Sie macht sich nur Sorgen um Sie”, meinte Dimitri, als ich fertig war.
„Sie hat überreagiert.”
„Mütter neigen manchmal dazu, ihre Kinder allzu sehr beschützen zu wollen.”
Ich starrte ihn an. „Ja, aber hier sprechen wir von meiner Mutter. Und sie machte nicht den Eindruck, als ginge es ihr darum, mich zu beschützen. Ich denke, sie hatte eher Sorge,
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