Vampire Academy 04
Kanten ab. Wie der Spiegel war es perfekt in die Wand eingesetzt worden. Das Fenster hatte keine einzelnen Scheiben. Es war eine einzige glatte Fläche. Ich kniff abermals die Augen zusammen, um draußen etwas erkennen zu können, und sah … nichts. Die Landschaft schien eine leicht hügelige Ebene zu sein, mit nur wenigen vereinzelten Bäumen. Sie erinnerte mich an die Gegend, durch die ich auf dem Weg nach Baja gefahren war. Ganz offensichtlich befand ich mich nicht länger in Nowosibirsk. Und als ich nach unten spähte, musste ich feststellen, dass die Wohnung ziemlich weit oben lag. Im dritten Stock vielleicht. Jedenfalls war es zu hoch, um einfach hinausspringen zu können, ohne sich dabei sämtliche Knochen zu brechen. Trotzdem musste ich irgendetwas tun. Ich konnte hier nicht einfach nur herumsitzen.
Ich griff nach dem Schreibtischstuhl und knallte ihn mit voller Wucht gegen das Fenster – was allerdings weder auf den Stuhl noch auf das Glas besonders großen Eindruck machte. „Meine Güte“, murmelte ich. Ich versuchte es noch drei Mal, hatte aber trotzdem kein Glück. Als bestünde sowohl der Stuhl als auch das Fenster aus Stahl. Vielleicht handelte es sich bei dem Glas um irgendein kugelsicheres industrietaugliches Zeug. Und der Stuhl … nun, ich hatte nicht den blassesten Schimmer. Er war aus einem einzigen Stück Holz gefertigt und zeigte keinerlei Anzeichen zu splittern, nicht einmal nach allem, was ich mit ihm angestellt hatte. Aber da ich schon mein ganzes Leben lang Dinge tat, die nicht allzu vernünftig waren, versuchte ich weiter, das Glas kleinzukriegen.
Bei meinem fünften Versuch angekommen, warnte mich mein Magen vor einem nahenden Strigoi. Ich fuhr herum, hielt den Stuhl fest und stürmte zur Tür. Sie wurde geöffnet, und ich krachte gegen den Eindringling, wobei die Stuhlbeine von mir weg zeigten.
Es war Dimitri.
Die gleichen widersprüchlichen Gefühle, die ich bereits auf der Straße empfunden hatte, kehrten zurück, Liebe, gemischt mit Entsetzen. Diesmal kämpfte ich mich durch die Liebe hindurch und zauderte nicht mit meinem Angriff. Nicht dass es viel genutzt hätte. Ebenso gut hätte ich weiter auf das Fenster einschlagen können. Er stieß mich zurück, und ich taumelte, den Stuhl immer noch fest im Griff. Ich hielt mein Gleichgewicht und attackierte ihn aufs Neue. Als wir diesmal zusammenstießen, packte er den Stuhl und entriss ihn mir. Dann schleuderte er ihn gegen die Wand, als wöge das Möbelstück gar nichts.
Ohne diese magere Waffe musste ich mich also wieder auf die Kraft meines eigenen Körpers verlassen. Bei unseren Strigoi-Verhören während der letzten Wochen hatte ich das schließlich auch getan; hier hätte es also dasselbe sein sollen. Natürlich hatte ich bisher immer vier Personen als Verstärkung gehabt. Und keiner dieser Strigoi war Dimitri gewesen. Selbst als Dhampir hatte man ihn kaum besiegen können. Jetzt war er genauso erfahren – nur schneller und stärker. Außerdem kannte er all meine Taktiken, da er sie mir ja selbst beigebracht hatte. Es war beinahe unmöglich, ihn zu überraschen.
Doch genau wie bei dem Fenster konnte ich nicht einfach untätig bleiben. Ich saß immerhin in einem Raum gefangen – die Tatsache, dass es sich um einen großen, luxuriösen Raum handelte, machte es auch nicht besser –, und zwar mit einem Strigoi. Mit einem Strigoi . Das war es, was ich mir immer wieder sagen musste. Hier drin war ein Strigoi. Nicht Dimitri. Hier galt alles, was ich Denis und den anderen eingeschärft hatte. Sei klug. Sei wachsam. Verteidige dich.
„Rose“, sagte er, während er mühelos einen meiner Tritte abwehrte. „Du verschwendest Zeit. Hör auf damit.“
Oh, diese Stimme. Dimitris Stimme. Die Stimme, die ich hörte, wenn ich abends einschlief, die Stimme, die mir einst erklärt hatte, dass er mich liebte …
Nein! Er ist es nicht. Dimitri ist fort. Dies ist ein Ungeheuer.
Verzweifelt versuchte ich, darüber nachzudenken, wie ich hier gewinnen konnte. Ich dachte sogar an die Geister, die ich doch schon mal heraufbeschworen hatte. Mark sagte, ich sei dazu in der Lage, wenn meine Gefühle stark in Aufruhr waren, und dass sie für mich kämpfen würden. In meiner momentanen Situation war meine Gefühlswelt so dermaßen in Aufruhr, wie sie nur sein konnte, dennoch gelang es mir nicht, die Geister herbeirufen. Ich hatte, ehrlich gesagt, auch keine Vorstellung davon, wie ich es beim letzten Mal angestellt hatte, und alles Wünschen dieser
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