Vampire Academy 04
der Schwäche auf der Straße. „Das nächste Mal werde ich nicht zögern.“
„Es wird kein nächstes Mal geben. Aber wie dem auch sei, so enttäuscht ich von dir auch sein mag, bin ich natürlich trotzdem froh, noch am Leben zu sein.“
„Du bist nicht am Leben“, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Gott, er war mir wieder so nah, so nah. Trotz der Veränderungen in seinem Gesicht war der schlanke, muskulöse Körper derselbe geblieben. „Du bist tot. Unnatürlich. Du hast mir vor langer Zeit gesagt, dass du lieber sterben würdest, als ein Strigoi zu sein. Und das ist der Grund, warum ich dich töten werde.“
„Das sagst du nur, weil du es nicht besser weißt. Ich wusste es damals ja auch nicht besser.“
„Hör zu, es ist mein Ernst. Ich spiele dein Spiel nicht mit. Wenn ich hier nicht rauskann, dann töte mich einfach, okay?“
Auf einmal, ganz ohne Vorwarnung, strich er mir mit den Fingern über die Wange. Mir stockte der Atem. Seine Hand war eiskalt, aber die Art, wie er mich berührte … auch die war dieselbe geblieben. Genauso, wie ich es in Erinnerung hatte. Wie war das möglich? So ähnlich … und doch so anders. Plötzlich kam mir eine seiner Lektionen in den Sinn; es ging darum, dass die Ähnlichkeit eines Strigoi mit der Person, die er einmal gewesen war, frappierend sein konnte. Das war auch der Grund, warum man so leicht zögerte.
„Dich zu töten … nun, so einfach ist das nicht“, erwiderte er. Seine Stimme wurde wieder zu einem leisen Flüstern, wie eine Schlange, die über meine Haut glitt. „Es gibt noch eine dritte Option. Ich könnte dich erwecken.“
Ich erstarrte und hörte auf zu atmen.
„Nein.“ Es war das Einzige, was ich sagen konnte. Meinem Gehirn fiel nichts Komplexeres ein, nichts Witziges oder Cleveres. Seine Worte waren zu beängstigend, um sie auch nur ansatzweise zu erwägen. „Nein.“
„Du weißt ja nicht, wie es ist. Es ist … unglaublich. Transzendent. All deine Sinne sind lebendig; die Welt ist viel lebendiger …“
„Ja, aber du bist tot.“
„Bin ich das?“
Er nahm meine Hand und legte sie auf seine Brust. Ich spürte ein gleichmäßiges Pochen. Meine Augen wurden groß.
„Mein Herz schlägt. Ich atme.“
„Ja, aber …“ Ich versuchte verzweifelt, mich an alles zu erinnern, was man mich über Strigoi gelehrt hatte. „Es ist kein echtes Leben. Es ist … es ist dunkle Magie, die dich wiederbelebt. Es ist nur eine Illusion von Leben.“
„Es ist besser als Leben.“ Jetzt umfasste er mit beiden Händen mein Gesicht. Sein Herzschlag mochte stetig gewesen sein, aber meiner raste jetzt. „Es ist, als sei man ein Gott, Rose. Stärke. Schnelligkeit. Die Fähigkeit, die Welt auf eine Weise wahrzunehmen, wie du sie dir niemals vorstellen könntest. Und … Unsterblichkeit. Wir könnten für alle Zeit zusammen sein.“
Früher einmal war das alles gewesen, was ich mir je gewünscht hatte. Und ein Teil von mir, tief in meinem Innersten, wünschte sich das auch jetzt noch, wünschte sich verzweifelt, für immer und ewig mit ihm zusammen zu sein. Und doch … es würde nicht so sein, wie ich es wollte. Es würde nicht so sein, wie es früher gewesen war. Es würde etwas völlig anderes sein. Etwas Falsches. Ich schluckte.
„Nein …“ Ich konnte meine eigene Stimme kaum hören, konnte kaum auch nur die Worte formen, wenn er mich so berührte. Seine Fingerspitzen waren so zart und sanft. „Das ist unmöglich.“
„Es ist sehr wohl möglich.“ Einer seiner Finger fuhr über meine Wange, bis zu der Arterie an meinem Hals. „Ich könnte es sehr schnell tun. Ganz ohne Schmerzen. Es wäre schon vorbei, bevor du recht wüsstest, wie dir geschieht.“ Er hatte wahrscheinlich recht. Wenn man gewaltsam zum Strigoi gemacht wurde, musste einem das gesamte Blut aus dem Körper gesaugt werden. Dann fügte ein Strigoi sich im Allgemeinen eine Schnittwunde zu und ließ Blut auf die Lippen des Opfers tropfen. Irgendwie stellte ich mir vor, dass ich ohnmächtig werden würde, noch bevor ich auch nur halb leer war.
Für immer zusammen.
Die Welt verschwamm ein wenig um mich herum. Ich weiß nicht, ob es an meiner Kopfverletzung lag oder an dem Entsetzen, das durch meinen Körper jagte. Als ich mich auf den Weg machte, um Dimitri zu suchen, hatte ich mir hundert mögliche Szenarien ausgemalt. Doch selbst zum Strigoi zu werden war nicht dabei gewesen. Einzig der Gedanke an den Tod – seinen oder meinen – hatte mich beherrscht, was
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