Vampire Academy 04
hatte es nicht die finstere Beimischung, die ich zu erwarten gelernt hatte. Ein Ausdruck der Zärtlichkeit trat in seine Züge, eine echte Zuneigung, die mich verblüffte. „Ich kann mir gut vorstellen, wie Karolina so etwas handhabt. Hat sie ihr Baby schon bekommen?“
„Ja …“ Ich war immer noch ein wenig verwirrt wegen dieses Lächelns. „Ein Mädchen. Zoja.“
„Zoja“, wiederholte er, immer noch ohne mich anzusehen. „Kein schlechter Name. Wie ging es Sonja?“
„Ganz gut. Ich habe nicht viel von ihr zu sehen bekommen. Sie ist ein wenig reizbar … Viktoria sagt, das liegt an der Schwangerschaft.“
„Sonja ist ebenfalls schwanger?“
„Oh ja. Im sechsten Monat, glaube ich.“
Sein Lächeln wurde ein wenig schwächer, und er wirkte beinahe besorgt. „Ich nehme an, dass es früher oder später dazu kommen musste. Ihre Entscheidungen waren nicht immer so vernünftig wie die von Karolina. Karolina hat ihre Kinder bekommen, weil sie es so wollte … ich schätze, bei Sonja war es eher eine Überraschung.“
„Ja. Das Gefühl hatte ich auch irgendwie.“
Er zählte die restlichen Mitglieder seiner Familie auf. „Meine Mutter und meine Großmutter?“
„Äh, gut. Es geht ihnen beiden gut.“ Dieses Gespräch wurde zusehends merkwürdiger. Es war nicht nur das erste normale Gespräch, das wir seit meiner Ankunft führten, es war auch das erste Mal, dass er sich für irgendetwas wirklich zu interessieren schien, das nichts mit den Strigoi zu tun hatte und bei dem es auch nicht darum ging, mich zu küssen oder zu beißen. Die einzige Ausnahme bildeten vielleicht die Gespräche über unsere früheren gemeinsamen Kämpfe – und die Erinnerungen an den Sex in der Hütte. „Deine Großmutter hat mir ein wenig Angst eingejagt.“
Er lachte, und ich zuckte zusammen. Es kam seinem alten Lachen so unglaublich nah. Näher, als ich es für möglich gehalten hätte. „Ja, sie hat diese Wirkung auf andere.“
„Und sie hat so getan, als könne sie kein Englisch.“ Das war zwar nur ein ziemlich kleines Detail, wenn man das große Ganze betrachtete, aber es hatte mich trotzdem geärgert.
„Ja, das macht sie gern.“ Er lächelte immer noch, und in seiner Stimme schwang Zuneigung mit. „Leben sie alle immer noch zusammen? In demselben Haus?“
„Jep. Ich habe die Bücher gesehen, von denen du mir erzählt hast. Die hübschen – aber ich konnte sie nicht lesen.“
„Dort habe ich meine Leidenschaft für amerikanische Western entwickelt.“
„Mann, wie gerne habe ich dich damit aufgezogen.“
Er kicherte. „Ja, mit den Westernromanen, deinen stereotypen Vorstellungen über osteuropäische Musik und der ‚Genossen‘-Nummer hattest du aber auch jede Menge Material.“
Auch ich lachte jetzt. „Der ‚Genosse‘ und die Sache mit der Musik waren schon irgendwie daneben.“ Meinen alten Spitznamen für ihn hatte ich beinahe vergessen. Jetzt passte er auch nicht mehr. „Aber das Cowboythema hast du selbst aufgebracht, mit diesem Ledermantel und …“ Ich brach ab. Ich hatte von seinem Pflichtgefühl reden wollen, allen Leuten in Not zu helfen, doch das war ja wohl kaum noch der Fall. Er bemerkte meinen Lapsus nicht.
„Und dann hast du sie verlassen und bist nach Nowosibirsk gegangen?“
„Ja. Ich bin mit diesen Dhampiren gekommen, mit denen ich auf der Jagd war … diesen anderen Unversprochenen. Aber um ein Haar hätte ich es nicht getan. Deine Familie wollte, dass ich bleibe. Ich habe es sogar ernsthaft in Erwägung gezogen.“
Dimitri hielt den Ring ins Licht, und er sah nachdenklich aus. Dann seufzte er. „Wahrscheinlich hättest du es tun sollen.“
„Es sind gute Leute.“
„Das sind sie“, sagte er leise. „Du hättest dort glücklich sein können.“
Er beugte sich vor, legte den Ring zurück auf den Nachttisch und drehte sich dann zu mir, um mich zu küssen. Es war der sanfteste, süßeste Kuss, den er mir als Strigoi gegeben hatte, und mein ohnehin beträchtlicher Schock wurde noch größer. Die Sanftheit war jedoch nur von kurzer Dauer, und einige Sekunden später küssten wir uns wieder so wie sonst, fordernd und hungrig. Er machte auf mich den Eindruck, als verlangte auch ihn nach mehr als nur nach einem Kuss, obwohl er erst vor Kurzem getrunken hatte. Ich schob meine Verwirrung darüber beiseite, wie … nun ja … normal und freundlich er gewirkt hatte, als er von seiner Familie sprach. Gleichzeitig überlegte ich, wie ich einem weiteren Biss ausweichen konnte, ohne
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