Vampire Academy 04
Verdacht zu erregen. Mein Körper war noch immer schwach und sehnte sich nach einem Biss, doch in meinem Kopf war ich so sehr Rose Hathaway wie schon seit einer Ewigkeit nicht mehr.
Dimitri löste sich von dem Kuss, und ich platzte mit dem Erstbesten heraus, das mir einfiel, bevor er irgendetwas anderes anfangen konnte. „Wie ist das so?“
„Wie ist was?“
„Das Küssen.“
Er runzelte die Stirn. Der erste Punkt ging an mich. Für einen Moment hatte ich ein untotes Geschöpf der Nacht aus der Fassung gebracht. Sydney wäre stolz auf mich gewesen.
„Wie meinst du das?“
„Du hast gesagt, wenn man erweckt ist, schärfen sich alle Sinne. Ist das Küssen jetzt also anders als früher?“
„Ah.“ Verstehen machte sich auf seinen Zügen breit. „Irgendwie ist es das, ja. Mein Geruchssinn ist stärker als früher, daher setzt sich dein Duft intensiver durch … dein Schweiß, dein Shampoo … es übersteigt alles, was du dir vorstellen kannst. Es ist berauschend. Und natürlich wird das hier durch einen schärferen Tastsinn noch viel besser.“ Er beugte sich vor und küsste mich abermals, und irgendetwas an seiner Beschreibung verursachte bei mir ein flaues Gefühl im Magen, allerdings auf angenehme Art. Das hätte nicht passieren dürfen. Ich hatte ihn ablenken wollen – nicht mich selbst.
„Als wir neulich nachts zusammen draußen waren, haben die Blumen auffallend intensiv geduftet. Wenn sie schon für mich so stark riechen, sind sie für dich dann nicht überwältigend? Ich meine, werden dir die Düfte nicht manchmal zu viel?“
Und so fing es an. Ich bombardierte ihn mit so vielen Fragen wie möglich und erkundigte mich nach allen Aspekten des Strigoi-Lebens. Ich wollte wissen, wie es war, wie er sich fühlte … ich stellte jede Frage voller Neugier und Enthusiasmus, biss mir auf die Unterlippe und wurde genau an den richtigen Stellen nachdenklich. Ich konnte spüren, wie sein Interesse wuchs, während ich ihn ausfragte, obwohl seine Haltung schroff und sachgemäß blieb – ganz im Gegensatz zu unserem bis dahin recht herzlichen Gespräch. Er hoffte, dass ich endlich kurz davor stand, meiner Verwandlung zuzustimmen.
Während ich kontinuierlich Fragen stellte, betonte ich mit äußeren Anzeichen auch gleichzeitig meine Müdigkeit. Ich gähnte viel und verlor oft den Faden. Schließlich rieb ich mir die Augen und gähnte ausgiebig. „Es gibt so viel, das ich nicht wusste … immer noch nicht weiß …“
„Ich habe dir ja gesagt, dass es unglaublich ist.“
Und ganz ehrlich, einiges davon war tatsächlich unglaublich. Das meiste war natürlich richtig unheimlich, aber wenn man erst mal diese Sache mit dem Untotsein und dem Bösesein überwunden hatte, bot eine Existenz als Strigoi definitiv gewisse Vorteile.
„Ich habe noch mehr Fragen“, murmelte ich. Dann schloss ich die Augen, seufzte und öffnete sie wieder, als müsste ich mich dazu zwingen, wach zu bleiben. „Aber … ich bin so müde … ich fühle mich immer noch nicht gut. Glaubst du, dass ich eine Gehirnerschütterung habe?“
„Nein. Und sobald du erweckt bist, wird das ohnehin keine Rolle mehr spielen.“
„Aber nicht, bevor du meine restlichen Fragen beantwortet hast.“ Die Worte gingen in einem Gähnen unter, aber er verstand. Es dauerte eine Weile, bis er antwortete.
„Also schön. Erst danach. Aber die Zeit läuft. Ich sagte es bereits.“
In dem Moment ließ ich meine Lider zufallen. „Aber heute ist noch nicht der zweite Tag …“
„Nein“, sagte er leise. „Noch nicht.“
Ich lag da und atmete so ruhig ich konnte. Würde ich mit meiner Schauspielerei durchkommen? Es war überaus wahrscheinlich, dass er trotzdem von mir trinken würde, auch wenn er glaubte, dass ich schlief. Ich setzte alles auf eine Karte. Ein einziger Biss, und der ganze Kampf um den Entzug wäre umsonst gewesen. Ich würde wieder am Anfang stehen. Und so wie es aussah, hatte ich keine Idee, wie ich einem Biss das nächste Mal entgehen sollte … andererseits glaubte ich ohnehin nicht an ein nächstes Mal. Bis dahin würde ich eine Strigoi sein.
Dimitri blieb noch einige Minuten neben mir liegen, dann spürte ich, wie er sich bewegte. Innerlich wappnete ich mich. Verdammt. Jetzt passierte es. Der Biss. Eigentlich war ich davon überzeugt gewesen, dass der Reiz, von mir zu trinken, viel mit unseren leidenschaftlichen Küssen zu tun hatte, und dass dieser Reiz, wenn ich schlief, einfach erlosch. Aber anscheinend hatte ich mich geirrt.
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