Vampire Academy 04
Meine Verstellung war für die Katz. Alles aus und vorbei.
Aber so war es nicht.
Er stand auf und ging.
Als ich die Tür zufallen hörte, glaubte ich zunächst, es sei nur ein Trick. Ich war mir ganz sicher, dass er versuchte, mich reinzulegen, und noch immer im Raum stand. Doch als die Strigoi-Übelkeit verebbte, erlangte ich Gewissheit. In der Annahme, dass ich Schlaf brauchte, hatte er mich tatsächlich allein gelassen. Meine Darbietung war also doch überzeugend gewesen.
Ich setzte mich sofort aufrecht hin und grübelte über einige andere Dinge nach. Während des letzten Teils seines Besuches schien er so … nun, er hatte mich mehr denn je an den alten Dimitri erinnert. Gewiss, er war nach wie vor durch und durch ein Strigoi, aber da war auch noch etwas anderes gewesen. Ein Anflug von Wärme in seinem Lachen. Aufrichtiges Interesse und Zuneigung, als er von seiner Familie hörte. War das der Grund? Hatten die Neuigkeiten über seine Familie einen Teil seiner Seele berührt, die noch irgendwo in diesem Ungeheuer begraben lag? Ich musste gestehen, ich war ein wenig eifersüchtig bei dem Gedanken, dass sie möglicherweise die Veränderung in ihm bewirkt hatten, die ich nicht bewirken konnte. Doch dieselbe Wärme lag auch noch in seiner Stimme, als wir über uns gesprochen hatten, zumindest ein bisschen davon …
Nein, nein, nein. Ich musste damit aufhören. Es gab keine Veränderung. Keine Umkehrung seines Zustands. Das war reines Wunschdenken, und je mehr ich wieder zu meinem alten Ich fand, desto klarer wurde mir auch die unumstößliche Wahrheit meiner Lage.
Dimitris Neugier hatte mich an etwas erinnert. Ich hatte Oksanas Ring vollkommen vergessen. Jetzt nahm ich ihn vom Nachttisch und streifte ihn mir über den Finger. Ich spürte keine wahrnehmbare Veränderung, aber wenn die heilende Magie noch immer in ihm steckte, würde sie mir vielleicht helfen. Möglicherweise beschleunigte sie die Heilung meines Körpers und Geistes von den Strapazen des Entzugs. Und wenn etwas von Lissas Dunkelheit in mich hineinblutete, so konnte der Ring die Auswirkungen ebenfalls dämpfen.
Ich seufzte. Ganz gleich, wie oft ich mir sagen mochte, dass ich frei von ihr war, würde dem jedoch niemals so sein. Sie war meine beste Freundin. Wir waren auf eine Weise miteinander verbunden, die nur wenige verstehen konnten. Ich konnte es einfach nicht länger verleugnen. Inzwischen bedauerte ich mein Verhalten gegenüber Adrian. Er war gekommen, um mich um Hilfe zu bitten, und ich hatte seine Freundlichkeit mit Füßen getreten. Jetzt war ich von jeglicher Kommunikation mit der Außenwelt abgeschnitten.
Der Gedanke an Lissa erinnerte mich abermals an das, was vorhin geschehen war, als ich mich in ihrem Kopf aufhielt. Was hatte mich hinausgestoßen? Ich zögerte und dachte über mein weiteres Vorgehen nach. Lissa war weit fort und möglicherweise in Schwierigkeiten. Dimitri und die anderen Strigoi jedoch waren hier. Aber … ich konnte noch nicht einfach so gehen. Ich musste noch einen einzigen Blick auf sie werfen, nur ganz kurz …
Ich fand sie an einem ungewöhnlichen Ort. Sie war bei Deirdre, die auf dem Campus als Therapeutin arbeitete. Lissa war zwar in Behandlung, seit sich der Geist als ihr Element offenbart hatte, aber früher bei einer anderen Therapeutin. Als ich nun meine Sinne in Lissas Gedanken streckte, las ich die Geschichte: Ihre Therapeutin hatte die Schule kurz nach dem Angriff verlassen, daraufhin war Lissa Deirdre zugewiesen worden – die auch mich einmal behandelt hatte, als alle dachten, ich hätte nach Masons Tod den Verstand verloren.
Deirdre sah auch für eine Moroi sehr gepflegt aus, war stets tadellos gekleidet und hatte das blonde Haar perfekt frisiert. Sie wirkte nicht viel älter als wir, aber bei mir hatten ihre Behandlungsmethoden vielmehr einem Polizeiverhör geähnelt. Bei Lissa war sie sanfter.
„Lissa, wir machen uns ein wenig Sorgen um Sie. Normalerweise hätte man Sie vom Unterricht suspendiert. Das konnte ich jedoch verhindern. Ich habe den Eindruck, als sei bei Ihnen irgendetwas im Gange, von dem Sie mir nichts erzählen. Irgendein anderes Problem.“
Lissa suspendiert? Wieder griff ich in sie hinein, um die Situation deuten zu können, und fand, wonach ich suchte: In der vergangenen Nacht waren Lissa und ein paar andere dabei erwischt worden, wie sie ausgerechnet in die Bibliothek eingebrochen waren, um spontan eine Party zu feiern, mitsamt Alkohol und der Zerstörung einiger
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