Vampire Academy 04
und müsste niemandem auf den Fersen bleiben. Ich würde Schwestern haben. Es gäbe keine Kämpfe mehr – außer zur Verteidigung. Ich könnte den Plan, Dimitri zu töten, einfach aufgeben – was mich, wie ich genau wusste, allerdings ebenfalls umbringen würde, entweder körperlich oder geistig. Ich könnte den vernünftigen Weg wählen, ihn loslassen und akzeptieren, dass er tot war. Und doch … warum kehrte ich, wenn ich das tat, nicht einfach nach Montana zurück? Zurück zu Lissa und der Akademie?
„Ich weiß nicht“, sagte ich schließlich zu ihr. „Ich weiß noch nicht, was ich tun werde.“
Es war kurz nach dem Abendessen, und Viktoria warf einen zögernden Blick auf die Uhr. „Eigentlich möchte ich gar nicht weggehen, weil wir ja nicht mehr so viel Zeit miteinander verbringen können, aber … ich bin gewissermaßen mit jemandem verabredet…“
„Nikolai?“, neckte ich sie.
Sie schüttelte den Kopf, und ich versuchte, meine Enttäuschung zu verbergen. Wir waren uns einige Male begegnet, und ich hatte ihn zusehends ins Herz geschlossen. Es war wirklich schade, dass Viktoria keine Gefühle für ihn entwickeln konnte. Jetzt jedoch fragte ich mich, ob irgendetwas sie vielleicht zurückhielt – oder vielmehr irgendjemand.
„Oh, raus damit“, sagte ich mit einem Grinsen. „Wer ist er?“
Ihr Gesicht verriet nichts von ihren Empfindungen, ganz wie bei Dimitri. „Ein Freund“, sagte sie ausweichend. Doch ich glaubte, ein Lächeln in ihren Augen zu sehen.
„Jemand von der Schule?“
„Nein.“ Sie seufzte. „Und das ist genau das Problem. Ich werde ihn so sehr vermissen.“
Mein Lächeln verblasste. „Kann ich mir gut vorstellen.“
„Oh.“ Sie wirkte verlegen. „Wie dumm von mir. Meine Probleme … nun, sie sind nichts im Vergleich zu deinen. Ich meine, ich mag ihn ja eine Weile nicht sehen … aber ich werde ihn irgendwann wiedersehen. Doch Dimitri ist fort. Du wirst ihn niemals wiedersehen.“
Na ja, das war vielleicht nicht die ganze Wahrheit. Das erzählte ich ihr allerdings nicht. Stattdessen sagte ich nur: „Ja.“
Zu meiner Überraschung umarmte sie mich. „Ich weiß, was Liebe ist. Das zu verlieren … ich weiß nicht. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich kann dir nur versichern, dass wir für dich da sind. Wir alle, okay? Du kannst Dimitri nicht ersetzen, aber du bist auf jeden Fall wie eine Schwester für mich.“
Von ihr als Schwester bezeichnet zu werden verblüffte und wärmte mich gleichzeitig. Danach musste sie sich schleunigst für ihr Date bereit machen. Sie zog sich hastig um und legte Make-up auf – definitiv mehr als nur für einen Freund – und ging zur Tür hinaus. Ich war irgendwie froh darüber, denn ich wollte nicht, dass sie die Tränen sah, die ihre Worte mir in die Augen trieben. Ich hatte mein Leben als Einzelkind verbracht. Lissa kam einer Schwester noch am nächsten, und ich hatte sie auch immer als meine Schwester betrachtet – die ich nun jedoch verloren hatte. Zu hören, dass Viktoria mich eine Schwester nannte … nun, brachte eine Saite in mir zum Schwingen. Etwas, das mir sagte, dass ich wirklich Freunde hatte und nicht allein war.
Anschließend ging ich in die Küche hinunter, und schon bald gesellte Olena sich zu mir. Ich war auf der Suche nach etwas Essbarem.
„War das Viktoria, die gerade aus dem Haus gegangen ist?“, fragte sie.
„Ja, sie trifft sich mit einem Freund.“ Zu meiner Ehrenrettung sei gesagt, dass ich eine völlig neutrale Miene aufgesetzt hatte. Auf keinen Fall würde ich Viktoria verraten.
Olena seufzte. „Eigentlich wollte ich, dass sie in der Stadt ein paar Besorgungen für mich erledigt.“
„Das kann ich doch machen“, sagte ich eifrig. „Ich mache mir nur schnell was zu essen.“
Sie schenkte mir ein freundliches Lächeln und tätschelte meine Wange. „Du hast ein gutes Herz, Rose. Ich kann gut verstehen, warum Dimka dich geliebt hat.“
Es war doch wirklich erstaunlich, wie vorbehaltlos man hier meine Beziehung mit Dimitri akzeptierte. Niemand brachte den Altersunterschied zur Sprache oder die Schüler-Lehrer-Beziehung. Genau so, wie ich es Sydney erzählt hatte, war es, als sei ich seine Witwe oder etwas in der Art, und Viktorias Worte über mich gingen mir wieder und wieder durch den Kopf. Die Art, wie Olena mich ansah, gab mir das Gefühl, tatsächlich ihre Tochter zu sein, und einmal mehr kamen die verräterischen Gedanken über meine eigentliche Mom in mir hoch. Sie hätte über Dimitri
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