Vampire Academy 05
ihn, und ich konnte nicht umhin, seinen Schmerz und seine Enttäuschung zu teilen. Wie ich hatte auch er große Hoffnung auf diese verzweifelte Möglichkeit gesetzt, doch noch mit seiner verlorenen Liebe wiedervereint zu werden. Ich hatte gerade nur bekräftigt, dass es möglich war … und zugleich doch unmöglich. Es wäre wohl für uns beide einfacher gewesen zu erfahren, dass das Ganze ein übler Scherz gewesen war.
Er seufzte und stand auf. „Nun … ich weiß zu schätzen, dass Sie der Sache nachgegangen sind. Und es tut mir leid, dass Sie jetzt ganz umsonst bestraft werden.“
Ich zuckte die Achseln. „Ist schon in Ordnung. Die Sache war es ja wert.“
„Ich hoffe …“ Ein zögerlicher Ausdruck trat in seine Züge. „Ich hoffe, es hört bald auf und hat keine weiteren Auswirkungen.“
„Auswirkungen worauf?“, fragte ich scharf, denn der Unterton in seiner Stimme war mir nicht entgangen.
„Nur … na ja, also, Wächtern, die sich Befehlen widersetzen, drohen manchmal lange Strafen.“
„Oh. Das.“ Er spielte auf meine ständige Angst an, in einem Schreibtischjob festzusitzen. Ich versuchte, lässig zu tun und mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr ich mich vor dieser Möglichkeit fürchtete. „Ich bin mir sicher, dass Hans nur geblufft hat. Ich meine, würde er mich denn wirklich dazu zwingen, diese Arbeit für alle Ewigkeit zu tun, nur weil ich weggelaufen bin und …“
Ich brach ab. Der Unterkiefer klappte mir herunter, als ein wissendes Glitzern in Mikhails Augen aufblitzte. Ich hatte vor langer Zeit gehört, dass er versucht hatte, Ms Karp aufzuspüren, aber über die näheren Umstände dieser Aktion hatte ich mir nie Gedanken gemacht. Niemand hätte seine Suche gutgeheißen. Er musste aus eigenem Antrieb weggegangen sein, entgegen seinen Dienstanweisungen, und war dann zurückgekrochen gekommen, nachdem er seine Suche endlich hatte aufgeben müssen. Er musste genauso tief in der Tinte gesessen haben wie ich, nachdem ich hier wieder aufgetaucht war.
„Ist das …“ Ich schluckte. „Ist das denn auch der Grund, warum Sie … warum Sie jetzt hier unten in den Gewölben arbeiten?“
Mikhail beantwortete meine Frage nicht. Stattdessen schaute er mit einem kleinen Lächeln hinab und deutete auf meine Papierstapel. „F kommt vor L“, sagte er, bevor er sich umdrehte und verschwand.
„Verdammt“, murmelte ich und senkte den Blick. Er hatte recht. Anscheinend konnte ich doch nicht so gut mit dem Alphabet umgehen, während ich Lissa beobachtete. Trotzdem, sobald ich allein war, hinderte mich das nicht daran, in ihren Kopf zurückzukehren. Ich wollte wissen, was sie tat … und ich wollte nicht darüber nachdenken müssen, dass das, was ich getan hatte, in den Augen der Wächter wahrscheinlich viel schwerer wog als Mikhails Taten. Oder dass möglicherweise eine ähnliche – oder sogar noch schlimmere – Strafe auf mich wartete.
Lissa und Christian wohnten in einem Hotel in der Nähe des Campus der Lehigh University. Die Mitte des vampirischen Tages bedeutete für die menschliche Universität Abend. Lissas Führung würde erst am nächsten Morgen der Menschen beginnen, was bedeutete, dass sie jetzt im Hotel abwarten und versuchen musste, sich an einen menschlichen Zeitplan zu gewöhnen.
Lissas neue Wächter, Serena und Grant, waren bei ihr, zusammen mit drei zusätzlichen Wächtern, die die Königin ebenfalls mitgeschickt hatte. Tatiana hatte Christian erlaubt, sie zu begleiten. Und sie hatte der Idee nicht annähernd so viel Widerspruch entgegengebracht, wie Lissa befürchtet hatte – was mich wieder einmal auf die Frage brachte, ob die Königin wirklich so schrecklich war, wie ich es immer geglaubt hatte. Priscilla Voda, eine enge Ratgeberin und Freundin der Königin, die sowohl Lissa als auch ich mochten, begleitete Lissa ebenfalls, während sie sich in der Schule umsah. Zwei der zusätzlichen Wächter blieben bei Priscilla – der dritte bei Christian. Sie aßen als Gruppe zu Abend und zogen sich dann auf ihre Zimmer zurück. Serena blieb tatsächlich bei Lissa in ihrem Zimmer, während Grant draußen vor der Tür Wache stand. Während ich all dies beobachtete, durchzuckte mich ein Stich. Als Teil eines Wächterduos zu arbeiten – dafür war ich ausgebildet worden. Ich hatte mein Leben lang erwartet, dass ich das eines Tages für Lissa tun würde.
Serena war ein Bilderbuchbeispiel für die Reserviertheit eines Wächters; sie war zwar da, aber doch nicht da, während Lissa
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