Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
Rauchfaden zurückließ. Sie versuchte es abermals, beugte sich dann vor und blies sachte auf das Papier, während der Funke landete. Eine winzige Flamme erschien, griff auf einen benachbarten Schnipsel über und erlosch wiederum. Lissa wappnete sich und versuchte es ein letztes Mal.
„Komm schon, komm schon!“, murmelte sie, als könnte sie ein Feuer herbeizwingen.
Diesmal verwandelte sich der Funke in eine kleine Flamme und dann in eine größere, die ihr Zündmaterial schon bald verzehrt hatte. Ich betete darum, dass sie auf das Holz übergriffe, sonst hätte Lissa erneut Pech gehabt. Die Flamme wurde immer heller und größer, verzehrte den Rest des Papiers und des flauschigen Materials.... und breitete sich dann über die Stöcke aus. Lissa blies sanft darauf, um das Feuer in Gang zu halten, und dann dauerte es auch gar nicht mehr lange, bis das Lagerfeuer hell aufloderte.
Das Feuer konnte an der schneidenden Kälte nichts ändern, aber Lissa erschien es so, als hielte sie die Wärme der ganzen Sonne in ihren Händen. Sie lächelte, und ein Gefühl des Stolzes, das sie schon seit einiger Zeit nicht mehr empfunden hatte, breitete sich in ihr aus. Als sie dann endlich in der Lage war, sich zu entspannen, sah sie in den regennassen Wald hinaus und entdeckte in der Ferne ein winziges Aufblitzen von Farbe. Sie kanalisierte Geist und verstärkte mithilfe ihrer Magie ihre Fähigkeit, Auren zu sehen. Und tatsächlich – weit, weit entfernt, zwischen den Bäumen verborgen, machte sie zwei von starken, stetigen Farben erfüllte Auren aus. Deren Besitzer standen still und schweigend da, unter Büschen verborgen. Lissas Lächeln wurde breiter. Wächter. Oder vielleicht auch die Luft-und Wasserbenutzer, die das Wetter beherrschten. Keiner der Kandidaten war hier draußen allein. Ronald Ozera hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen – aber andererseits konnte er das nicht wissen. Nur sie wusste es. Vielleicht war Geist hier draußen doch nicht so ohne jeden Nutzen.
Der Regen ließ allmählich nach, und die Wärme des Feuers beschwichtigte Lissa weiter. Sie konnte die Zeit am Himmel nicht ablesen, aber irgendwie wusste sie trotzdem, dass sie kein Problem damit hätte, den Tag über hier auszuharren und ....
„Rose?“ Eine Stimme rief mich aus Lissas Überlebenstraining in der Wildnis. „Rose, wach auf oder.... schon gut.“
Ich blinzelte und konzentrierte mich auf Sydneys Gesicht, das nur einige Zentimeter von meinem entfernt war. „Was?“, fragte ich. „Warum störst du mich?“
Sie zuckte zusammen und wich zurück, einen Moment lang sprachlos. Als ich Lissas Dunkelheit in mich hineingezogen hatte, war ich davon nicht unmittelbar betroffen gewesen, aber jetzt, da ich bewusst in meinem eigenen Körper steckte, überfluteten mich Ärger und Wut. Das bist nicht du, das ist nicht Sydney, sagte ich mir. Das ist Geist. Beruhige dich. Ich holte tief Luft, wollte mich nicht von Geist beherrschen lassen. Ich war stärker als er. So hoffte ich.
Während ich noch darum kämpfte, diese Gefühle beiseitezuschieben, sah ich mich um, und mir fiel wieder ein, dass ich mich ja in Sonya Karps Schlafzimmer befand. All meine Probleme kehrten mit Gewalt zurück. Im Nebenzimmer saß eine gefesselte Strigoi, eine, die wir kaum bändigen konnten und die nicht gerade den Eindruck machte, als würde sie uns in absehbarer Zeit Antworten geben.
Ich blickte wieder zu Sydney hinüber, die offensichtlich immer noch Angst vor mir hatte. „Tut mir leid .... ich wollte dich nicht anfauchen. Ich war einfach erschrocken.“ Sie zögerte einige Sekunden, dann nickte sie und nahm meine Entschuldigung an. Als die Furcht aus ihrem Gesicht wich, erkannte ich, dass ihr noch etwas anderes zu schaffen machte. „Was ist denn los?“, fragte ich. Solange wir lebten und Sonya noch gefangen war, konnten die Dinge doch nicht so schlimm sein, nicht wahr? Sydney trat zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Victor Dashkov und sein Bruder sind hier.“
18
Ich sprang aus dem Bett und war schon erleichtert, dass ich nicht hinfiel. Mein Kopf schmerzte noch immer, aber mir war nicht mehr schwindelig, was hoffentlich bedeutete, dass mir tatsächlich eine Gehirnerschütterung erspart geblieben war. Als ich Sonyas Schlafzimmer verließ und einen Blick auf den Wecker warf, sah ich, dass ich mich einige Stunden lang in Lissas Kopf befunden hatte. Ihre Prüfung hatte erheblich länger gedauert, als mir bewusst gewesen war.
Im Wohnzimmer erwartete
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