Vampire Diaries - Stefan's Diaries - Nur ein Trop
Geschwindigkeit, an die ich mich noch immer nicht gewöhnt hatte, bewegte ich mich auf die Stadt zu, und Damon zockelte hinter mir her. Seine Schritte waren laut und unbeholfen, aber gleichmäßig. Wir liefen die Garden Street entlang, die ganz offensichtlich eine Hauptader der Stadt war und von adretten, farbenprächtigen Häusern gesäumt wurde, die an Puppenhäuschen erinnerten. Es war neblig, die Luft war schwül, und Stimmen, die Französisch, Spanisch und mit mir völlig unbekannten Zungen sprachen, webten einen dichten Geräuschteppich.
Links und rechts führten Gassen zum Wasser hinunter und auf den Gehsteigen reihten sich Buden aneinander, die alles Mögliche verkauften, von frisch gefangenen Schildkröten bis hin zu kostbaren, aus Afrika importierten Steinen. Selbst die Anwesenheit der blau uniformierten Unionssoldaten, die mit ihren Musketen an jeder Straßenecke standen, wirkte irgendwie festlich. Es war wie auf einem Jahrmarkt und genau die Art von Szene, die Damon geliebt hatte, als wir noch Menschen waren. Ich warf einen Blick über meine Schulter. Und tatsächlich: Damon hatte die Lippen zu einem schwachen Lächeln verzogen, und seine Augen leuchteten auf eine Weise, wie ich es– so schien es mir– seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte. Das hier war unser gemeinsames Abenteuer, und jetzt, weit fort von allem, was an Katherine und Vaters sterbliche Überreste und Veritas erinnerte, würde Damon vielleicht endlich akzeptieren können, was er war.
» Erinnerst du dich, dass ich gesagt habe, wir könnten die ganze Welt entdecken?«, fragte ich und drehte mich zu ihm um. » Dies ist jetzt unsere Welt.«
Damon nickte kaum merklich. » Katherine kannte New Orleans. Sie hat mir davon erzählt.«
» Und wenn sie hier wäre, würde sie wollen, dass wir diese Stadt zu unserer Stadt machen– dass wir hier leben, dass wir uns nehmen, was wir wollen und unseren Platz in der Welt erobern.«
» Stets ein Dichter«, feixte Damon, blieb aber brav in meinem Schlepptau.
» Vielleicht, aber es stimmt. All das gehört uns«, sagte ich ermutigend und breitete die Hände weit aus.
Damon nahm sich einen Moment Zeit, um über meine Worte nachzudenken. Dann antwortete er schlicht: » Also gut.«
» Also gut?«, wiederholte ich ungläubig. Es war das erste Mal seit unserem Streit im Steinbruch, dass er mir in die Augen gesehen hatte.
» Ja. Ich folge dir.« Er drehte sich im Kreis und zeigte auf verschiedene Gebäude. » Also, wo steigen wir ab? Was tun wir? Zeig mir diese schöne neue Welt.« Damons Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, und ich konnte nicht erkennen, ob er mich verspottete oder seine Worte ernst meinte. Ich entschied mich für Letzteres.
Ich schnupperte und fing sofort einen Hauch von Limone und Ingwer auf. Katherine. Damons Schultern versteiften sich; er musste es ebenfalls gerochen haben. Wortlos drehten wir uns beide auf dem Absatz um, gingen auf eine namenlose Gasse zu und folgten einer Frau, die ein fliederfarbenes Satinkleid trug und auf den dunklen Locken eine große Sonnenhaube.
» Ma’am!«, rief ich.
Sie drehte sich um. Auf ihren weißen Wangen lag eine dicke Schicht Rouge, ihre Augen waren mit Kohlstift geschminkt. Sie sah aus, als sei sie zwischen dreißig und vierzig Jahre alt, und schon jetzt durchzogen Sorgenfalten ihre hübsche Stirn. Ihr Gesicht wurde von kleinen Löckchen umrahmt, und ihr Kleid war tief ausgeschnitten und zeigte mehr von ihrem sommersprossigen Busen, als schicklich gewesen wäre. Ich wusste sofort, dass sie eine Frau von zweifelhaftem Ruf war, eine, über die wir als Jungen in der Schenke in Mystic Falls getuschelt und auf die wir mit dem Finger gezeigt hätten.
» Ihr Jungs wollt euch ein wenig amüsieren?«, fragte sie träge und ließ den Blick von mir zu Damon und wieder zurück flackern. Sie war nicht Katherine, nicht einmal ansatzweise, aber ich sah trotzdem etwas in Damons Augen aufblitzen.
» Ich glaube nicht, dass es ein Problem sein wird, ein Quartier zu finden«, flüsterte ich leise.
» Töte sie nicht«, flüsterte Damon zurück, wobei sein Kiefer sich kaum bewegte.
» Kommt mit mir. Ich habe einige Mädchen, die euch liebend gern kennenlernen würden. Ihr scheint mir die Art von Jungs zu sein, die auf der Suche nach Abenteuern sind. Stimmt’s?« Sie zwinkerte uns zu.
Ein Gewitter zog auf, in der Ferne hörte ich dumpfes Donnergrollen.
» Bei einem Abenteuer mit hübschen Damen sagen wir bestimmt nicht Nein«, erwiderte ich.
Aus dem
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