Vampire Earth 3 - Donnerschläge
hydraulische Ruder eines Schiffes wie der Thunderbolt zu führen.
»Dieses Riff ist heimtückisch«, bemerkte der Steuermann. »Die Durchfahrt ist so versandet - ich habe schon oft ein gefährliches Kratzen gehört.«
Valentine verließ das geschlossene Ruderhaus, gesellte sich zu Carrasca auf die Steuerbordnock und blickte hinab auf das vordere Grogdeck, auf dem sich die überlebenden »loyalen« Seeleute der Thunderbolt unter den wachsamen Augen der Piraten apathisch zusammenkauerten. Zugleich standen sie nach wie vor unter der Aufsicht des Oberbootsmanns, einem froschgesichtigen Schleimer namens Gilbert, der stets bereit gewesen war, sich dem Kapitän anzubiedern. Der Kapitän selbst war weder tot noch lebendig gefunden worden, und Worthington war zusammen mit den Männern umgekommen, die versucht hatten, die Hauptkanone unter der Brücke zu laden.
Noch immer konnte Valentine den weinroten Fleck sehen, den das Blut seines ehemaligen Kameraden aus der Offiziersmesse auf den hölzernen Planken hinterlassen hatte. Irgendwo achtern waren Ahn-Kha und die Männer, die sich an Valentines fruchtlosem Versuch, das Schiff zu übernehmen, beteiligt hatten, bereits dabei, die Decks zu schrubben, nachdem sie die Leichen säuberlich in einer Reihe nebeneinandergelegt hatten. Traditionsgemäß sollten sie in ihre Bettlaken genäht werden, aber der Stoff war zu wertvoll, ihn auf diese Weise zu vergeuden. Die vierzehn Männer, die in der Nacht den Tod gefunden hatten, würden die Welt so nackt verlassen, wie sie sie betreten hatten.
»Angenehme Brise«, kommentierte Valentine, während er Carrascas vom Wind aufgepeitschtes Haar betrachtete. Hätte er den Arm ausgestreckt, hätte er gerade die längsten Strähnen berühren können.
»Wir nennen diesen Wind den Doktor. Er weht normalerweise
den ganzen Tag. Und dann gibt es noch den Nachtwind, der seewärts weht. Den nennen wir Bestatter. Er riecht nicht so gut, aber er sorgt für Abkühlung.« Valentine mochte ihre Art zu sprechen. In ihrer Sprache vermischte sich der musikalische karibische Tonfall mit dem spanischen Akzent.
»Netter Anblick«, sagte Valentine und meinte sowohl die Frau als auch die Insel, blickte aber ausschließlich zur Bucht. Er war die Küsten Nordamerikas gewohnt: flache, ausgedehnte Strände, Gehölze und Marschland. Auf Jamaika erhoben sich die Berge wie eine grüne Wand aus dem Meer.
»Ja. Sie werden einen Hut brauchen. Die Sonne hier ist auch zu dieser Jahreszeit noch sengend.«
»Was ist das dort in der Mitte für ein Schiff?«
»Ein Krankenhaus. Das war einmal ein Flugzeugträger, die Argus des Royal Fleet Auxiliary. Sie liegt schon mein Leben lang hier. Ich wurde hier geboren. Wie viele der Männer, die Sie hier sehen.«
»Wie viele Leute haben Sie?«
»Wir haben Besseres zu tun, als Volkszählungen durchzuführen. Da sind die Stadtbewohner und eine entsprechende Anzahl von Familien, die die Plantagen bewirtschaften. Um die siebenhundert, schätze ich. Und dann gibt es noch die Schiffsbesatzungen. Außerdem könnte man die Leute im Landesinneren dazuzählen, die an der Küste, die Fischer und die paar Einzelgänger, die mit einer Schiffsladung Getreide oder Schweinen herkommen, wenn es ihnen gerade passt. Oh, und dann ist da noch die Rumbrennerei. Die Leute da sind sozusagen unsere Verbündeten, auch wenn ihr Produkt auch auf Kurschiffen verschifft wird. Alles in allem könnten etwa sechstausend Leute Jay als ihre Heimat betrachten.«
»Jay? Bezieht sich das auf Kommodore Jensen?«
Zum ersten Mal löste sie den Blick vom Bug des Schiffs. »Sie haben von ihm gehört?«
»Im Norden ist er nicht sehr beliebt. Allmählich nimmt man Jayport in der KZ ziemlich ernst.«
»KZ?«
»Kurische Zone. Meine ehemaligen Arbeitgeber.«
»Ah, ich verstehe. Wir nennen das die Vampirwelt.« Valentine lächelte, das erste ungezwungene Lächeln seit Tagen. »Schrecklich.«
»Soll das heißen, der Name passt nicht?«
»Ich wünschte, das hieße es. Auf unseren Karten gilt diese Insel als Kurgebiet - Vampirwelt.«
»Der größte Teil von Jamaika gehört ihnen - oder ihm. Wir nennen ihn das Gespenst.«
»Kommen Sie gut mit ihm aus?«
Sie verzog das Gesicht. »Nein. Wir sind nicht seine Lakaien. Aber solange wir ihm nicht in die Quere kommen, lässt er uns in Ruhe. Besser für uns.«
»Für das Gespenst wohl auch.«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und musterte ihn von oben bis unten. »So, wie …« Doch sie brachte den Gedanken nicht zu Ende.
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