Vampire haben's auch nicht leicht: Argeneau Vampir 5
sie und Tiny richtete.
„Oh.” Vincent war eher steif, als er sie vorstellte. „Das ist Jackie, meine.... ”
„Seine Sekretärin”, erklärte Jackie schnell und warf ihm einen bedeutungsvollen Blick zu. Dann lächelte sie strahlend und streckte die Hand aus: „Freut mich, Sie kennenzulernen, Mrs. Argeneau.”
„Danke, meine Liebe. Ich freue mich auch”, erwiderte sie und ergriff ihre Hand. „Nennen Sie mich einfach Marguerite.”
Jackies Lächeln gefror, als sie spürte, wie ihr Geist durchforstet wurde. Sofort baute sie ihre Verteidigung auf, indem sie an eine Ziegelwand dachte und immer wieder im Geist „Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann” sang, um die Frau aus ihren Gedanken fernzuhalten. Marguerite riss kurz die Augen auf, dann kniff sie sie zusammen. Jackie rang sich ein noch strahlenderes Lächeln ab. Wenn Vincents Tante sie für unhöflich hielt, hatte sie selbst schuld. Jackies Meinung nach war es nämlich ziemlich unhöflich, in die Gedanken von Menschen einzudringen. Auch wenn die meisten es nicht einmal merkten.
Marguerite flatterte noch einen Moment an den Rändern ihres Geistes entlang, dann ließ sie Jackies Hand los und wandte sich Tiny zu. „Und das ist mein.... äh.... mein Koch, Tiny”, fügte Vincent etwas gequält hinzu.
Jackie blickte Tiny forschend an, aber als er Marguerite die Hand schüttelte, entspannte sie sich. Offensichtlich sang er im Stillen „Backe, backe, Kuchen”. Jedenfalls hatte er ihr einmal gesagt, er benutze es immer, wenn ein Vampir versuche, seine Gedanken zu durchstöbern.
Eigentlich musste es ihnen auf diese Weise gelungen sein, Marguerite aus ihren Köpfen fernzuhalten, aber wirklich sicher konnte Jackie sich nicht sein. Leider hatte schon die Tatsache, dass sie sich zur Wehr gesetzt hatten, den Argwohn von Vincents Tante geweckt. Jackie konnte sehen, wie ihr Gesichtsausdruck sich veränderte, während sie von einem zum anderen blickte. Einen Augenblick herrschte angespanntes Schweigen. Dann wandte Marguerite sich an Vincent.
„Hat Bastien sein Versprechen gehalten und ein Packen vorausgeschickt?”
„Ja, es ist heute Nachmittag angekommen”, versicherte er. „Du musst nach dem langen Flug Hunger haben.”
Vincent ging zum Kühlschrank und öffnete ihn. Darin lagen, ordentlich zwischen dem Käse und dem Gemüse gestapelt, die Blutbeutel. „Einen oder zwei?”, fragte er.
Marguerite erstarrte, weil das Blut so ganz offen dalag. Sie warf Jackie und Tiny einen prüfenden Blick zu, doch die setzten eine undurchschaubare Miene auf. „Zwei, bitte”, antwortete sie dann. „Ich werde sie in meinem Zimmer zu mir nehmen”, fügte sie hinzu, denn der Gedanke, das vor den beiden Sterblichen zu tun, war ihr sichtlich unangenehm.
Vincent griff sich zwei Beutellund brachte seine Tante zu ihrem Zimmer.
„Sie ist hübsch”, stellte Tiny fest, als er sich erneut an den Tisch setzte, um sich wieder dem Eis zuzuwenden.
„Sie ist alt”, erwiderte Jackie trocken. „Superalt. Etwa siebenhundert Jahre zu alt für dich.”
„Ja.” Er seufzte. „Wahrscheinlich hält sie mich bloß für einen dummen Jungen.”
„Wahrscheinlich”, stimmte Jackie ihm zu und fragte sich plötzlich, für was Vincent und die anderen Vampire sie eigentlich hielten.... Der Gedanke gefiel ihr zwar nicht, aber es würde einen großen Teil der Arroganz erklären, die ihr oft von den Unsterblichen entgegengebracht wurde. Vielleicht war es aber auch nur die herablassende Haltung der sehr Alten gegenüber der überschäumenden Jugend. Oder genauer gesagt, sie hielten sie wirklich für dumm und jung, riefen sie aber trotzdem, wenn sie ein Problem hatten.
„Wer sind Jackie und Tiny wirklich?”, fragte Marguerite, während sie Vincent in eines der Gästezimmer folgte.
„Meine Sekretärin und der Koch”, antwortete er schnell und musste sich abwenden, um sich nichts anmerken zu lassen. Er legte ihren Koffer auf die Tagesdecke des Betts. Tante Marguerite durchschaute ihn meistens, wenn er log.
„Aha.” Sie klang nicht sonderlich überzeugt. „Und wann hast du angefangen zu essen?”
Vincent versuchte nicht einmal, so zu tun, als habe er schon immer gegessen. Jackie und Tiny kannten ihn nicht und konnten nicht beurteilen, wie er früher gelebt hatte, doch mit Marguerite verhielt es sich anders. Er war stets in ihrer Wohnung abgestiegen, wenn er in New York gewesen war, und hatte die ganze Zeit keine normalen Lebensmittel zu sich genommen. Aber bei dem Gedanken erinnerte er sich
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