Vampire küssen besser
meinen Kopf hinein, erblickte jedoch nichts außer einem alten Metallschreibtisch mit einem Laptop, einen Holzstuhl und einen Aktenvernichter. Eine Neonleuchte summte an der Decke. Das war’s. Ein Palast.
»Schauen Sie nicht so überrascht, Miss Urban. Selbstredend brauchen Sie ein Büro. Sie werden hier und da Papierkram ausfüllen und Geheimmaterial sichten müssen. Übrigens bleibt das, was hier geschieht, unbedingt in diesen Räumen.« J ließ die Tür offen stehen und forderte mich auf, am Konferenztisch Platz zu nehmen.
Ich ließ mich nieder. J klopfte leicht an die Tür neben meinem Büro und sagte: »Miss Polycarp, wir sind so weit.« Gleich darauf öffnete sich die Tür, und eine hinreißende Blondine trat heraus. Sie hatte volle rote Lippen, ein umwerfendes Lächeln und war tiefgebräunt – alles in allem eine blendende Erscheinung. »Hier bin ich schon, Sie Sklaventreiber«, sagte sie ohne jeden Respekt, während J bereits an die nächste Tür klopfte und rief. »Mr.O’Reilly? Wir können anfangen.«
O’Reilly? Ich kannte einen Vampir namens Cormac O’Reilly. Er war in etlichen Broadway-Shows Revuetänzer gewesen, jedoch nie in der Lage den »großen Durchbruch« zu schaffen, ein selbstgefälliger, ichbezogener und absolut oberflächlicher Typ. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man jemanden wie ihn angeworben hatte.
Die Blondine ließ sich auf den Stuhl neben mir gleiten. »Hallo, Schätzchen«, sagte sie mit schleppendem Südstaatenakzent. »Ich heiße Benny Polycarp. Benny ist die Kurzform von Benjamina. Wie heißt du?« Sie neigte den Kopf in Js Richtung und verdrehte die Augen. Dann zwinkerte sie mir zu und fragte leise: »Was hältst du von unserem furchtlosen Ritter?«
»Daphne Urban«, erwiderte ich zunächst. »Meine Freunde nennen mich Daphy.« Als ich sie ansah, konnte ich mir ein Grinsen nicht verbeißen und setzte kaum hörbar hinzu: »Ich glaube, der Mann ist ein konservativer Bürokrat und tut nichts außer der Reihe, doch wenn er uns jetzt am Hals hat, muss er jemandem mächtig auf den Schlips getreten sein. Aber um auf was anderes zu kommen, darf ich dir eine persönliche Frage stellen?«
»Raus mit der Sprache«, flüsterte Benny. »Was willst du wissen?«
»Woher hast du diese sagenhafte Bräune?«
»Na, aus der Tube, Süße, woher sonst? Ich gehe zu einem Kosmetiksalon. Da gibt es eine Behandlung, die sie ›Tahiti‹ nennen. Dabei wirst du massiert und mit Selbstbräuner eingerieben. Das ist der Hammer.« Benny fing an zu kichern. »Wir sehen ja alle schrecklich käsig aus, aber als Blondine wirke ich geradezu wie ein Albino. Ich meine, dir steht das«, lenkte sie hastig ein. »Mit den dunklen Haaren siehst du ein bisschen irisch aus, falls ich das so sagen darf.«
»Schönen Dank für das Kompliment«, erwiderte ich. »Ich dachte immer, von Selbstbräuner würde ich gelb, als hätte ich ein Leberleiden. So wie bei dir habe ich es noch nirgends gesehen. Hätte nie gedacht, dass es aus der Tube stammt.« In dem Moment kam J auf uns zu, und ich konnte gerade noch flüsternd den Namen des Kosmetikstudios erbitten.
J folgte ein zierlicher junger Mann, der sich am anderen Ende des Tisches niederließ. Es war tatsächlich Cormac, doch bevor ich den Mund aufmachen konnte, hatte sich J ans Kopfende gesetzt und blickte Benny und mich rügend an. Geplauder war offenbar verboten.
»Mr.O’Reilly und Miss Polycarp wurden einander bereits vorgestellt«, begann J. »Und soweit ich informiert bin, kennen sich Miss Urban und Mr.O’Reilly.«
Ich schaute Cormac an und entgegnete: »Wir kennen uns schon seit einer Weile.« Dann formte ich lautlos mit den Lippen:
Was tust du hier?
Doch Cormac sah nur verdrießlich drein und antwortete nicht.
J hob einen Pappkarton vom Boden auf, stellte ihn vor sich auf den Tisch und entnahm ihm drei dicke Bündel.
»Wenn ich jetzt um Ihre Aufmerksamkeit bitten darf«, begann er. »Ihr Team trägt den Namen Dark Wing. Die Unterlagen, die ich an jeden von Ihnen verteile, enthalten die Einzelheiten Ihres Auftrags. Unter anderem finden Sie darin eine Diskette mit einem vollständigen Dossier über die Zielperson und/oder die Organisation, mit der Sie sich befassen werden. Sie werden Gelegenheit haben, die Unterlagen zu studieren. Anschließend setze ich mich mit jedem von Ihnen zusammen, um Fragen zu beantworten und Anweisungen zu erteilen. Miss Urban, wir treffen uns morgen hier um fünf oder kurz danach, wie Sie es schaffen können. Ich weiß, dass
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