Vampire küssen besser
daran geraten. Man hat mir eine Falle gestellt. Sie haben mir ein Date mit einem schnuckeligen Bodybuilder vorgegaukelt, in der Sauna eines Fitnessclubs. Es ging alles Schlag auf Schlag, und ehe ich mich versah, hatte man mir Handschellen angelegt. Am Ende der ganzen Prozedur habe ich dagesessen und vor Schreck nach Atem gerungen. Wahrscheinlich hat man dir die gleichen Wahlmöglichkeiten gelassen: Entweder du machst mit, oder es heißt adios, Amigo. Anfänglich wollte ich noch gegen sie kämpfen, aber dann fiel mir ein, wie langweilig mein Leben seit einer Weile geworden ist. Meine Karriere als Schauspieler geht nicht voran, und wenn ich noch mal irgendwo vorspreche und irgendein Regisseur sagt mir, ich sei zu klein, raste ich ernsthaft aus. Hier die Typen erkennen wenigstens meine künstlerischen Talente. Deshalb wurde ich erwählt.« Affektiert warf Cormac sein langes schwarzes Haar zurück. »Warum man
dich
genommen hat, ist mir allerdings ein Rätsel.«
»Klar, Cormac«, entgegnete ich spöttisch. »Deine
künstlerischen
Talente … Dass ich nicht lache! Alle Welt weiß, dass du seit Jahren nirgendwo mehr getanzt hast, und was deinen letzten Auftritt am Broadway betrifft, der fand bei
Cats
hinter der Bühne statt, wo du mit dem Regisseur herumgemacht hast, der dir trotzdem keine Rolle gegeben hat. Wahrscheinlich bist du auch dem
zu klein
vorgekommen.«
»Du Aas!«, kreischte Cormac und kam um den Konferenztisch auf mich zu. »He, ihr beiden!«, rief Benny. »Lasst den Quatsch!«
Cormac verharrte und schaute sie an. »Schon besser«, sagte Benny. »Denkt daran, wir sind ein Team. Wir müssen einander helfen. Falls zwischen euch noch eine Rechnung offen ist, vergesst die Sache. Ich bin noch neu in dieser Runde und wurde aus Branson in Missouri hierher verschleppt. Ein Vampir in Branson, ist das nicht zum Piepen? Und um ehrlich zu sein, ich habe Angst. Wenn ich Mist baue, sterben nicht nur zig Leute, sondern auch ich werde eliminiert. Und ich hänge an meinem Leben. Deshalb finde ich, wir sollten versuchen, miteinander auszukommen.«
»Amen«, sagte Cormac. »Aber du hast recht.«
»Na gut«, sagte ich und blickte Cormac an. »Waffenstillstand?«
»Abgemacht.« Cormac trat auf mich zu. »Los, Daphy, umarme mich.«
»Übertreib’s nicht, Cormac«, erwiderte ich, ließ aber zu, dass er Benny und mich in die Arme schloss. Anschließend sammelten wir unsere Unterlagen ein und verließen gemeinsam das Gebäude. Alles in allem fühlte ich mich prima. Ich hatte meinen ersten Tag als Spionin hinter mich gebracht, zwischen meinem Chef und mir hatte es gefunkt, mir war weder langweilig, noch fühlte ich mich niedergedrückt. Ich konnte es kaum erwarten, in meine Wohnung zu kommen und die Diskette mit meinem Auftrag in den Computer einzulegen.
New Yorker ohne Auto wissen, dass es an der Dreiundzwanzigsten Straße zwei U-Bahn-Eingänge gibt. Der Eingang zu den Downtown-Zügen liegt unmittelbar an der Westseite des Flatiron-Gebäudes, der Fifth-Avenue-Seite. Um die Uptown-Züge zu erreichen, muss man dagegen an der Ostseite des Gebäudes den Broadway überqueren, eine breite sechsspurige Fahrbahn voller Autos, Taxis und Busse, die sich vom Knotenpunkt dreier Straßen aus kreuz und quer in Richtung Süden bewegen. An diesem Abend wirkte der Broadway leer, beinahe ausgestorben. Ich überquerte ihn mit forschem Schritt und flog nahezu über die Stufen hinunter zu den Gleisen. Auf dem Weg war mir, als hörte ich die nächste Bahn einfahren. Ich riss meine Fahrkarte hervor und drängte mich durch das Drehkreuz, als wäre ich nicht mehr ganz dicht. Dann war ich auf dem Bahnsteig und erkannte, dass der Downtown-Express ohne anzuhalten auf der mittleren Spur durch den Bahnhof schoss. Gut, das war ohnehin nicht mein Zug gewesen. In meiner Hast hatte ich allerdings meine eigenen Vorsichtsmaßnahmen vergessen. Regel Nummer 1 lautete, sorgsam nach links und rechts zu spähen, ehe ich eine geschlossene Zone betrat. Das ist nicht nur die New Yorker Methode, sondern auch eine Überlebenstaktik für Vampire.
Nun stand ich im trüben Licht jener gespenstischen unterirdischen Umgebung und kam mir vor wie in einer Höhle. Uralte Regungen erwachten in mir, solche, die ich missachten, vergessen, im Keim ersticken wollte. Ich schaute zur Decke und stellte mir vor, dort fledermausartig im steinernen Gewölbe zu hängen, ringsum fiepende Laute, bereit, bei Anbruch der Nacht loszufliegen. Bei dem Gedanken regte sich in mir die Gier –
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