Vampire schlafen fest
du kleiner Süßer«, säuselte sie. »Mein flauschiger Liebling. Ist er nicht goldig?« Quinn wirkte leicht genervt. Ich muss zugeben, dass ich genauso herumsäuselte, wenn ich mit dem Kater allein war, obwohl der Zauberer Bob eigentlich ein dürrer, seltsamer Typ war, der den Charme eines Strebers versprühte. Amelia hatte erzählt, Bob sei Friseur - falls das stimmte, hatte er vermutlich in einem Beerdigungsinstitut Leichen frisiert. Schwarze Hose, weißes Hemd, Fahrrad? Hat irgendeiner mal einen Friseur getroffen, der so durch die Gegend zieht?
»Und was unternimmst du dagegen?«, fragte Quinn.
»Ich lese viel«, sagte Amelia. »Um herauszufinden, was ich falsch gemacht habe, damit ich den Fehler rückgängig machen kann. Es wäre einfacher, wenn ich ...« Ihre Stimme verlor sich schuldbewusst.
»Wenn du mit deiner Mentorin reden könntest?«, fragte ich hilfsbereit.
Amelia warf mir einen düsteren Blick zu. »Ja. Wenn ich mit meiner Mentorin reden könnte.«
»Warum tust du es nicht?«, fragte Quinn.
»Zum einen, weil ich gar keinen Transformationszauber hätte benutzen dürfen. Das ist so ziemlich das Verbotenste überhaupt. Und zum anderen surfe ich seit dem Hurrikan auf der Suche nach ihr durch sämtliche Internetforen, die von Hexen benutzt werden, und kann nirgends eine Nachricht von ihr finden. Vielleicht hat sie irgendwo Unterschlupf gefunden, vielleicht ist sie bei ihren Kindern, vielleicht ist sie aber auch in den Wassermassen ertrunken.«
»Soweit ich weiß, hast du doch vor allem von deinen Mieteinnahmen gelebt. Welche Pläne hast du denn jetzt? In welchem Zustand ist dein Haus?«, fragte Quinn und trug unsere Teller zur Spüle. Mit persönlichen Fragen hielt er sich heute Abend nicht gerade zurück. Gespannt wartete ich auf Amelias Antwort. Ich hätte schon längst gern ein paar Dinge über sie erfahren, nach denen man aus lauter Höflichkeit nicht einfach so fragte, zum Beispiel: Wovon lebte sie zurzeit eigentlich? Sie hatte zwar, als die Teilzeithilfe meiner Freundin Tara krank war, in deren Boutique ausgeholfen, aber Amelias Ausgaben überstiegen ihre momentanen Einnahmen um ein Vielfaches. Sie musste also was auf der hohen Kante haben, Ersparnisse, oder noch andere Geldquellen besitzen als die Wahrsagerei mit Tarotkarten in einem Laden für Magie beim Jackson Square und ihre Mieteinnahmen, die jetzt ja ausblieben. Ihre Mutter hatte ihr Geld hinterlassen, vermutlich einen ganzen Haufen.
»Na ja, einmal war ich schon in New Orleans seit dem Hurrikan«, sagte Amelia. »Du hast meinen Mieter Everett doch kennengelernt, oder?«
Quinn nickte.
»Als er wieder an ein Telefon herankam, hat er mir von den Schäden berichtet. Es hat hauptsächlich das Erdgeschoss getroffen, wo ich selbst wohne. Bäume waren umgeknickt, überall lagen Äste verstreut, und natürlich gab es zwei Wochen lang weder Wasser noch Strom. Doch der Stadtteil hat, Gott sei Dank, nicht so sehr gelitten wie andere, und als der Strom wieder funktionierte, bin ich hingefahren.« Amelia holte tief Atem. In ihren Gedanken konnte ich lesen, dass sie sich geradezu fürchtete, das Thema anzuschneiden, das jetzt unweigerlich folgen würde. »Ich, äh, bin zu meinem Dad gegangen und hab mit ihm über die Reparatur des Dachs gesprochen. Zu der Zeit war unser Dach genauso blau wie das fast aller Leute rings um uns herum.« Die blaue Plastikplane, mit der beschädigte Dächer abgedeckt wurden, war zurzeit notgedrungen der letzte Schrei in New Orleans.
Es war das erste Mal, dass ich Amelia ihre Familie mehr als nur sehr allgemein erwähnen hörte. Aus ihren Gedanken hatte ich bisher mehr erfahren als aus Gesprächen mit ihr, und ich musste aufpassen, dass ich die beiden Infoquellen nicht durcheinanderbrachte, wenn ich mit ihr sprach. Ich konnte erkennen, dass ihr Vater ihre Gedanken beherrschte und wie sich Liebe und Abneigung zu einem konfusen Gemisch verbanden.
»Dein Dad will also dein Haus reparieren?«, fragte Quinn beiläufig. Er kramte gerade in der Tupperdose, in der ich Kekse aufbewahrte, wenn eine Packung es mal über meine Schwelle geschafft hatte - was nicht oft vorkam, weil ich unweigerlich Gewicht zulege, sobald ich Süßes im Haus habe. Solche Probleme kannte Amelia nicht, und so hatte sie die Dose mit verschiedenen Sorten Keebler-Keksen gefüllt und Quinn angeboten, sich zu bedienen.
Amelia nickte, noch viel faszinierter von Bobs Katzenfell als vorhin. »Ja, er hat einen Trupp Handwerker geschickt.«
Das war auch mir
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