Vampire schlafen fest
Föhn (nur für den Fall), Make-up, all meine neuen Klamotten und noch einige andere Anziehsachen, jede Menge Schuhe, ein Nachthemd, Amelias Reisewecker, Unterwäsche, ein bisschen Schmuck, eine zweite Handtasche und zwei Taschenbücher. »Danke, dass du mir deine Reiseausrüstung geliehen hast.« Amelia hatte mir ihren hellroten Rollkoffer und einen dazu passenden Kleidersack überlassen, plus Umhängetasche, in die ich ein Buch, Kreuzworträtsel, einen tragbaren CD-Player, Kopfhörer und eine kleine CD-Box gestopft hatte.
Auf der Fahrt redeten wir nicht viel. Wie komisch, dachte ich, dass Amelia allein im Haus meiner Familie zurückblieb. Dort hatten seit über hundertsiebzig Jahren nur Stackhouses gewohnt.
Unsere sporadischen Gespräche erstarben ganz, als wir uns dem Flughafen näherten. Es schien nichts mehr zu sagen zu geben. Wir kamen direkt vor dem Shreveport-Hauptterminal heraus, mussten aber noch weiter zu einem kleinen privaten Hangar. Hätte Eric nicht schon vor Wochen ein Flugzeug von Anubis Airline gechartert, hätte er jetzt ein echtes Problem gehabt, denn die Vampirkonferenz strapazierte die Anubis-Flotte ziemlich. Alle beteiligten Bundesstaaten entsandten Delegationen, und zu den Gruppen aus Zentralamerika kamen auch noch die aus Mittelamerika hinzu, vom Golf bis zur kanadischen Grenze.
Noch vor ein paar Monaten hätte Louisiana zwei Flugzeuge benötigt. Jetzt reichte eins, zumal einige Leute bereits vorausgereist waren. Nach dem Treffen im Fangtasia hatte ich auf die Liste vermisster Vampire geschaut und darauf leider auch die Namen von Melanie und Chester gefunden. Die beiden hatte ich in der Residenz der Königin in New Orleans kennengelernt. Es war zwar keine Zeit geblieben, sich richtig anzufreunden, doch sie schienen sehr nette Vampire zu sein.
Der Hangar war eingezäunt, und am Tor stand ein Wachmann, der erst meinen und dann Amelias Führerschein überprüfte, ehe er uns durchfahren ließ. Er war ein Mensch und schien ein richtiger Polizist außer Dienst zu sein, aber er wirkte überaus kompetent und aufmerksam. »Fahren Sie nach rechts. Einen Parkplatz finden Sie in der Nähe des nach Osten gelegenen Eingangs«, erklärte er.
Amelia beugte sich ein wenig vor beim Fahren, aber der Eingang war deutlich genug zu sehen. Außerdem parkten dort bereits andere Autos. Es war ungefähr zehn Uhr morgens, und ein kühler Hauch lag in der Luft, den die Wärme noch nicht überdeckte. Ein früher Einbruch des Herbstes. Nach diesem enorm heißen Sommer ein einziger Segen. In Rhodes würde es ohnehin kälter sein, hatte Pam gesagt, die im Internet die Wettervorhersage für die kommende Woche angesehen und mich extra noch angerufen hatte, damit ich einen warmen Pullover mitnahm. Sie hatte beinahe aufgeregt geklungen, was bei Pam schon etwas heißen wollte. Mir erschien Pam in letzter Zeit ein wenig rastlos, ein wenig gelangweilt von Shreveport und dem Fangtasia. Aber vielleicht irrte ich mich da auch.
Amelia half mir, das Gepäck auszuladen. Sie hatte einige Zauber von dem roten Samsonite nehmen müssen, ehe sie ihn mir geben konnte. Was passiert wäre, wenn sie es vergessen hätte, hatte ich lieber nicht gefragt. Ich zog den Griff des Rollkoffers heraus und hängte mir die Umhängetasche über die Schulter. Amelia nahm den Kleidersack und öffnete die Eingangstür.
Ich war noch nie in einem Flugzeughangar gewesen, aber es sah aus wie im Film: ein einziger riesiger Hohlraum. Einige kleinere Flugzeuge parkten darin, und wir gingen, wie Pam uns erklärt hatte, zu der großen Öffnung an der westlichen Seite des Hangars. Unser Charterflugzeug stand draußen, wo uniformierte Anubis-Angestellte Särge auf ein Gepäckförderband luden. Sie alle trugen Schwarz, das nur von einem Schakalkopf auf der Brusttasche aufgelockert wurde - ziemlich affektiert, wie ich fand. Beiläufig sahen sie zu uns herüber, doch keiner verlangte nach Ausweispapieren, ehe wir zur Gangway kamen.
Dort, am Fuß der Treppe, stand Bobby Burnham mit einem Klemmbrett in der Hand. Da es helllichter Tag war, konnte Bobby natürlich kein Vampir sein, doch sein Gesieht war genauso bleich und seine Miene genauso streng wie die der Untoten. Ich war ihm noch nie begegnet, wusste aber, wer er war, und er erkannte mich auch. Das las ich in seinen Gedanken. Sein Wissen hinderte ihn jedoch nicht daran, meinen Personalausweis mit seiner dämlichen Liste abzugleichen. Amelia warf er einen finsteren Blick zu, ganz so, als wolle er ihr zu verstehen
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