Vampire schlafen fest
habe keine Ahnung von der Gesetzeslage in Mexiko. Aber es erschien mir absolut unglaubwürdig, dass ein Amerikaner in Mexiko ins Gefängnis wanderte, weil er eine Prostituierte verletzt hatte, falls das die einzige Anklage sein sollte. Da müsste er schon jede Menge Feinde haben.
»Könnte es vielleicht sein, dass Sie sie mit irgendeinem Gegenstand verletzt haben?«, fragte ich mit einem Lächeln.
»Ich glaube, Johan hielt ein Messer in der Hand«, sagte Mr Cataliades sehr ernst.
Spätestens in diesem Moment erstarb mein Lächeln. »Sie haben in Mexiko im Gefängnis gesessen, weil Sie eine Frau niedergestochen haben?« Wer war hier jetzt der letzte Dreck?
»Eine Prostituierte«, korrigierte er. »So lautete die Anklage. Ich war natürlich völlig unschuldig.«
»Natürlich«, sagte ich.
»Aber hier geht es nicht um die Anklage gegen mich, Miss Stackhouse. Mein Job ist es, die Königin gegen eine äußerst schwerwiegende Beschuldigung zu verteidigen, und Sie sind eine wichtige Zeugin.«
»Ich bin die einzige Zeugin.«
»Gewiss, die Einzige, die den Tod mit eigenen Augen gesehen hat.«
»Ich habe den Tod einiger Leute mit eigenen Augen gesehen.«
»Der einzige Tod, auf den es ankommt, ist der von Peter Threadgill.«
Ich seufzte, weil ich noch einmal an Wyberts Kopf denken musste. »Ja, ich habe Peter Threadgills Tod mit eigenen Augen gesehen.«
Johan war vielleicht noch weniger wert als Abschaum, aber er verstand etwas von seinem Metier. Wir durchliefen ein langes Frage-und-Antwort-Spiel, nach dem der Rechtsanwalt über die Geschehnisse besser Bescheid wusste als ich, und das, obwohl ich dabei gewesen war. Mr Cataliades hörte mit großem Interesse zu und schaltete sich hin und wieder mit einer Richtigstellung ein oder erklärte Johan Glassport den Grundriss des umgebauten Klosters, das die Königin für Feste nutzte.
Diantha hörte auch eine Weile zu, spielte auf dem Boden sitzend eine halbe Stunde »Jacks«, verkrümelte sich dann aber wieder in ihren Sitz und schlief.
Eine Stewardess von Anubis Airline bot uns auf dem Drei-Stunden-Flug von Zeit zu Zeit Drinks und Snacks an. Als ich dem Rechtsanwalt alle Fragen beantwortet hatte, verschwand ich erst mal aufs Klo. Na, das war eine Erfahrung für sich! Ich war vorher noch nie auf einer Flugzeugtoilette gewesen.
Statt gleich zu meinem Platz zurückzukehren, schlenderte ich den Mittelgang entlang und schaute mir all die Särge an. An den Tragegriffen waren jeweils Gepäckschilder angebracht. Mit uns flogen Eric, Bill, die Königin, Andre und Sigebert. Außerdem entdeckte ich den Sarg von Gervaise, der der Königin Unterkunft gewährt hatte, und von Cleo Babbitt, die Sheriff von Bezirk Drei war. Arla Yvonne, Sheriff von Bezirk Zwei, war während der Abwesenheit der Königin die Verantwortung für Louisiana übertragen worden.
Der Sarg der Königin war mit Perlmutt verziert, doch die anderen waren schlicht gehalten und alle aus poliertem Holz gefertigt: keine neumodischen Metallbeschläge für diese uralten Vampire. Ich fuhr mit der Hand über Erics Sarg, und bei der Vorstellung, dass er jetzt ziemlich leblos darin lag, überlief mich ein gruseliger Schauder.
»Gervaises Freundin ist nachts mit Rasul vorausgefahren, um sich zu vergewissern, dass alle Vorbereitungen für die Königin getroffen wurden«, ertönte plötzlich Mr Cataliades' Stimme an meiner rechten Schulter. Ich schrie vor Schreck auf und machte einen Satz, was der Hebenswürdige Anwalt der Königin so witzig fand, dass er rosarot anlief vor Gekichere und Gegluckse.
»Na, Sie schleichen ja vielleicht herum«, sagte ich in einem Tonfall so sauer wie eine frischgepresste Zitrone.
»Sie wollten sehen, wo der Sheriff von Bezirk Fünf liegt.«
»Ja, aber da hinken Sie ein, zwei Gedanken hinterher.«
»Ich besitze leider keine telepathischen Fähigkeiten, meine Liebe. Das habe ich allein aus Ihrer Miene und Ihren Bewegungen geschlossen. Sie haben die Särge gezählt und die Gepäckschilder gelesen.«
»Stimmt es, dass die Königin nicht nur Königin, sondern auch Sheriff ihres eigenen Bezirks ist?«
»Ja, so gibt es weniger Durcheinander. Nicht alle Regenten verfahren so, aber die Königin findet es lästig, stets einen anderen Vampir konsultieren zu müssen, wenn sie etwas in die Tat umsetzen will.«
»Klingt ganz nach der Königin.« Ich sah nach vorn zu unseren Begleitern. Diantha und Johan waren beschäftigt: Diantha schlief und Johan las in seinem Buch. Ob es wohl ein Buch über
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