Vampire schlafen fest
hübsch gekleidet, und alle unterhielten sich mit jemandem. Über uns. Die Blicke, die sie uns zuwarfen, beunruhigten mich, und die lärmenden Gedanken der wenigen lebendigen Gäste und Angestellten steigerten diese Unruhe noch. Wir waren die Menschen im Gefolge der Königin von Louisiana, die eine der mächtigsten Vampirregentinnen Amerikas gewesen war. Jetzt war sie nicht nur wirtschaftlich geschwächt, sondern würde auch noch des Mordes an ihrem Ehemann angeklagt werden. Ich konnte schon verstehen, warum die Gaffer so interessiert herübersahen - ich hätte uns auch interessant gefunden. Aber mir war unbehaglich zumute, und all meine Gedanken kreisten um die Frage, wie sehr meine Nase wohl glänzte. Ach, am liebsten wäre ich eine Zeit lang allein gewesen.
Der Portier ging unsere Reservierungen sehr langsam und sorgfältig durch, so als wollte er uns möglichst lange als Ausstellungsstücke in der Lobby festhalten. Mr Cataliades behandelte ihn mit seiner gewohnt ausgesuchten Höflichkeit, obwohl auch die nach zehn Minuten überstrapaziert war.
Ich hatte mich diskret ein Stück abseits gestellt. Doch als ich erkannte, dass dieser Portier - ein Mann in den Vierzigern, Drogenkonsument, Vater von drei Kindern - zum Spaß seine Spielchen mit uns trieb, trat ich näher. Ich legte Mr Cataliades eine Hand auf den Arm, um ihm zu verstehen zu geben, dass ich mich in das Gespräch einschalten wollte. Er verstummte und sah mich interessiert an.
»Sie geben uns jetzt sofort unsere Schlüssel und sagen uns, wo unsere Vampire sind, oder ich erzähle Ihrem Boss, dass Sie derjenige sind, der Gegenstände aus diesem Hotel bei eBay verkauft. Und wenn Sie ein Zimmermädchen bestechen und es wagen, die Höschen der Königin auch nur anzurühren , geschweige denn, sie zu stehlen, hetze ich Ihnen Diantha auf den Hals.« Diantha kam gerade mit einer Flasche Wasser auf uns zu. Zuvorkommend entblößte sie ihre messerscharfen spitzen Zähne mit einem tödlichen Lächeln.
Der Portier wurde erst bleich und dann rot - interessant, in welchen Mustern sich mit Blut füllende Adern in einem Gesicht so abzeichnen. »Ja, Ma'am«, stammelte er so, dass ich schon fürchtete, er mache sich gleich in die Hose. Aber das war mir nach dem kleinen Durchmarsch durch seine Gedanken ziemlich egal.
Blitzschnell hatten wir alle unsere Schlüssel, eine Liste der Tagesruheorte »unserer« Vampire, und der Gepäckträger verstaute unsere Koffer auf einem dieser praktischen Gepäckwagen. Hey, da fiel mir etwas ein!
Barry , sagte ich in Gedanken. Bist du hier?
Ja , erwiderte eine Stimme, die nicht mehr annähernd so zögerlich klang wie bei unserer ersten Begegnung. Sookie Stackhouse?
Ja, ich bin 's. Wir checken gerade ein. Ich habe Zimmer 1538. Und du?
Ich bin in 1576. Wie geht's?
Mir selbst gut. Aber Louisiana... erst der Hurrikan und jetzt dieser Prozess. Schätze, davon hast du schon gehört, was?
Klar. War einiges los bei euch.
Kann man sagen , erwiderte ich und fragte mich, ob sich mein Lächeln wohl auch mit meinen Gedanken übertrug.
Laut und deutlich angekommen.
Tja, nun bekam ich selbst mal einen Eindruck davon, wie sich normale Menschen in meiner Gegenwart fühlen mussten.
Wir sehen uns später , sagte ich zu Barry. Hey, heißt du eigentlich wirklich Bellboy mit Nachnamen ? So werden doch bloß die Gepäckträger in Hotels gerufen.
Tja, da hast du was losgetreten damals, als du mein Talent entdeckt hast , antwortete er. Mein richtiger Name ist Barry Horowitz. Aber inzwischen nenne ich mich nur noch Barry Bellboy. Unter dem Namen hab ich hier auch eingecheckt, falls du meine Zimmernummer vergessen solltest.
Okay. Freu mich schon, dich zu sehen.
Ich mich auch.
Und dann wandten Barry und ich unsere Aufmerksamkeit beide wieder anderen Dingen zu, und das seltsam kribbelnde Gefühl des Gedankengesprächs verschwand.
Barry ist der einzige andere Telepath, dem ich in meinem Leben je begegnet bin.
Mr Cataliades hatte erfahren, dass die Menschen - oder vielmehr die Nichtvampire - unserer Konferenzgruppe alle mit jemand anderem ein Zimmer teilen mussten. Er war nicht gerade erfreut, dass er selbst in einem Zimmer mit Diantha untergebracht war. Das Hotel sei völlig ausgebucht, hatte der Portier gesagt. Er hatte vielleicht in mancher Hinsicht gelogen, aber das entsprach eindeutig der Wahrheit.
Ich hatte ein Zimmer zusammen mit Gervaises Freundin. Ob sie wohl schon da war, fragte ich mich, als ich meine Karte in den Schlitz an der Tür steckte.
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