Vampire sind die beste Medizin: Argeneau Vampir 9
oben am Himmel nur zu deutlich bewusst war, zwang sich Marguerite, weiterzugehen und in die Menge einzutauchen. Ihre Nasenflügel zuckten, als von allen Seiten Menschen an ihr vorbeikamen, und sie spürte deutlich, wie das Verlangen nach Blut in ihr erwachte. Der Anschlag auf ihr Leben am gestrigen Abend hatte schwere Verletzungen verursacht, und es war viel Blut den Heilungsprozess nötig gewesen. Eigentlich hätte sie nach dem Aufwachen weitere drei bis vier Beutel trinken müssen, stattdessen war sie einfach davongelaufen. Das würde noch ein Problem für sie werden. Den Preis bezahlte sie bereits jetzt, da sich erste Magenkrämpfe bemerkbar machten.
Marguerite seufzte leise. Julius hatte ihr das Herz gebrochen, und sie war als hungrige Vampirin von Hunderten oder sogar Tausenden von Menschen umgeben, die für sie im Grunde nichts weiter waren als wandelnde, atmende Blutkonserven. Ihr Geruch bewirkte, dass sich ihre Reißzähne herauszuschieben begannen.
Wie ein Fuchs, den man mitten in einen Hühnerstall gesetzt hatte, wo er aber nur gucken durfte, stand sie da und zwang ihre Zähne zurück. Dann eilte sie die Straße entlang und versuchte, jeden körperlichen Kontakt mit den Passanten zu vermeiden. Dummerweise kümmerte die das überhaupt nicht, und so wurde sie laufend angestoßen oder angerempelt, oder jemand strich mit dem Arm an ihr vorbei. Offenbar interessierte es niemanden, Rücksicht zu nehmen, was Marguerite nur noch mehr reizte. Es kostete sie Mühe, nicht den nächstbesten Sterblichen zu packen, in eine Gasse zu ziehen und einen Schluck zu trinken. Sie musste unbedingt von dort verschwinden.
Zu ihrer großen Erleichterung lichtete sich die Menge, als sie das Ende der Straße erreichte. Sie hatte die unmittelbare Stadtmitte hinter sich gelassen und blieb stehen, um sich umzusehen. Die Straßen waren breiter und boten mehr Platz für Fahrzeuge, und es gab sogar einen Taxistand. Sie atmete beruhigt durch, eilte zum ersten Wagen in der Schlange und schlüpfte auf die Rückbank.
Nachdem sie die Tür zugeworfen hatte, sah sie nach vorn und stellte verdutzt fest, dass der Fahrer fehlte. Sie drehte sich um und entdeckte einen gut aussehenden jungen Mann, der sich aus einer Gruppe von Fahrern löste und zum Wagen sich aus einer Gruppe von Fahrern löste und zum Wagen gelaufen kam. Er nickte ihr freundlich zu und setzte sich ans Steuer. Ihr Blick ruhte auf seinem Hals. Als sie dann hörte, wie fremd seine Stimme klang, fiel ihr auf, dass er sich über eine Sprechanlage mit ihr unterhielt.
„Wohin soll’s gehen, Süße?“
Nach kurzem Zögern fragte sie: „Gibt es eine Möglichkeit, von York aus direkt nach Kanada zu fliegen?“ Er schüttelte den Kopf und sah sie durch die Trennscheibe an. Sein Lächeln hatte etwas Ansteckendes, und er musterte sie mit kaum verhohlenem Interesse. „Tut mir leid, Süße, aber da brauchen Sie schon ’nen internationalen Flughafen. Der nächste ist in.... “
„Dann fahren Sie mich zum Bahnhof“, unterbrach sie ihn. Wenn man von York aus nicht fliegen konnte, kümmerte es sie auch nicht, wo der nächste internationale Flughafen zu finden war. Dann würde sie eben nach London zurückkehren und von dort nach Kanada fliegen. Sie wollte nur in Bewegung bleiben und nirgendwo zu lange verharren. Im Taxi war sie schon besser aufgehoben als auf der Straße, doch der Wagen hatte keine Vorhänge an den Fenstern, und sie war nach wie vor der Sonne ausgesetzt. Je eher sie in einem Gebäude Schutz suchte, umso besser.
Der Mann nickte, wandte sich nach vorn und fuhr los. Marguerite entging nicht, dass er sie im Verlauf der Fahrt beharrlich im Rückspiegel beobachtete. Ihre Aufmerksamkeit galt unterdessen seinem gebräunten Hals, von dem viel zu sehen war, weil er seine Haare sehr kurz geschnitten trug. Sie musste unbedingt etwas trinken, da die Magenkrämpfe immer hartnäckiger und schmerzhafter wurden.
Wieder drängten ihre Reißzähne aus dem Kiefer, ihre Zunge glitt nach vorn und berührte die Spitze des einen Zahns, während ihr Blick wie magisch vom Hals des Fahrers angezogen wurde. Im Geiste malte sie sich aus, wie sie sich vorbeugte und ihre Zähne in seinem Fleisch vergrub. Aber natürlich ging das nicht, weil die Glasscheibe im Weg war, doch änderte das nichts daran, dass ihr diese Bilder einfach nicht aus dem Kopf gehen wollten. Gleichzeitig stellte sie sich vor, wie gut sich das anfühlen würde. Dann würden die Schmerzen und der Hunger nachlassen, und sie wäre
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