Vampire sind die beste Medizin: Argeneau Vampir 9
wandte Marcus ein, woraufhin Julius ihn fragend anschaute. „Auch wenn sie Zwillinge waren, hat Jean Claude ihn doch ebenfalls glauben lassen, er sei tot. Ihm hat er sein Geheimnis offenbar auch nicht anvertrauen wollen.“ Tiny schüttelte den Kopf. „Nein, das hätte er auch nicht gemacht. Nach allem, was ich über die Familie weiß, ist Lucian ein Starrkopf, der sich exakt an die Vorschriften hält. Er hätte Jean Claude vor den Rat gezerrt.“
„Ob er das bei seinem Bruder tatsächlich getan hätte, steht auf einem anderen Blatt“, wandte Julius ein. „Und es sagt nichts darüber aus, ob er uns jetzt helfen würde.“
„Nein, das ist wahr“, musste Tiny ihm beipflichten.
„Ich denke, über weitere Familienmitglieder, die deine Version bestätigen, können wir uns immer noch Gedanken machen, wenn wir wissen, wie Marguerite reagiert“, erklärte Christian. „Das Porträt und deine Schilderung genügen ja vielleicht.“
„Meinst du?“, fragte Julius unsicher.
Christian zuckte mit den Schultern. „Das lässt sich nur auf eine Weise herausfinden.“
„Genau.“ Julius stand auf.... und setzte sich gleich wieder hin. „Und was soll ich ihr sagen?“
„Erzählen Sie einfach alles!“, riet Tiny ihm. „Seien Sie vor allem ehrlich. Wenn es sein muss, stärken wir Ihnen den Rücken. Wenn sie sich nicht überzeugen lässt, bitten Sie sie, wenigstens mit nach Italien zu kommen, damit Sie ihr das Porträt zeigen können. Notfalls können Sie dann ja immer noch Lucian anrufen, damit er sich dazu äußert.“ Julius nickte, straffte die Schultern und stand abermals auf.
Zielstrebig ging er durch den Flur, drehte sich zur Treppe um und zögerte schon wieder. Er war im Begriff, sie zu bitten, ihm blind zu vertrauen. Etwas, wozu er ihr gegenüber vor fünfhundert Jahren nicht in der Lage gewesen war. Er wollte nicht weitere fünfhundert Jahre ohne sie zubringen. Er wollte nicht mal mehr eine Minute auf sie verzichten. Es musste ihm unbedingt gelingen, sie zu überzeugen.
„Vater“, sagte Christian und ging zu ihm. Julius drehte sich um, dankbar dafür, dass er noch ein paar Sekunden Aufschub gewährt bekam.
„Schwing dich da rauf und rede mit ihr! Ich habe fünfhundert Jahre lang auf eine Mutter verzichten müssen, weil du zu dumm warst, den Mund aufzumachen und die Wahrheit herauszufinden. Und sie hat die gleiche Zeit in einer Ehe verbracht, die für sie aus dem gleichen Grund die Hölle war. Es wird Zeit, das wiedergutzumachen.“
Als moralischer Rückhalt taugten diese Worte nichts, fand Julius und ging mürrisch nach oben. Als er am Kopf der Treppe ankam, war im ersten Stock alles ruhig. Er zwang sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen, umfasste den Türgriff und blieb wieder stehen. Was, wenn er die Sache verkehrt anpackte und alles nur noch schlimmer machte?
„Geh schon!“
Als er noch einmal einen Blick über die Schulter warf, sah er seinen Sohn am Fuß der Treppe stehen. Kopfschüttelnd drehte er sich um und öffnete die Tür. Dass Marguerite nicht in seinem Schlafzimmer war, überraschte ihn nicht. Sie musste sich in ihr Zimmer zurückgezogen haben, und was das heißen sollte, war deutlich: „Kein Sex mehr, Mister!“ Das hätte er erwarten müssen, und solange diese Sache nicht geklärt war, brauchte er sich auch keine Hoffnungen zu machen, sie wieder in sein Bett locken zu können.
Der Gedanke ließ ihn innerlich zusammenzucken, während er zum nächsten Zimmer weiterging und die Tür öffnete, ohne erst anzuklopfen. Aber dort war sie auch nicht. Er stutzte, wusste aber im ersten Moment nicht, was nicht stimmte. Er warf einen Blick ins Badezimmer, das ebenfalls verlassen war, und sah zur Sicherheit auch im anderen Schlafzimmer nach. Schließlich kehrte er in ihr Zimmer zurück, und diesmal fiel es ihm auf: Es war helllichter Tag, und die Vorhänge waren aufgezogen, zudem stand das Fenster offen.
Wohin Marguerite gegangen war, wusste er nicht, aber dass sie das Haus verlassen hatte, daran bestand kein Zweifel mehr.
Mit großen Augen betrachtete Marguerite das Gewimmel auf der Straße, die quer zu der Gasse verlief, in der sie stand. Passanten liefen in alle Richtungen. Ihr war bereits aufgefallen, dass nachts hier viele Leute unterwegs waren, aber das war nichts im Vergleich zu dem, was sie nun zu sehen bekam. Bei diesem Anblick war sie heilfroh, dass sie für gewöhnlich nur in der Nacht das Haus verließ. Das hier war der helle Wahnsinn.
Da ihr die brennende Sonne hoch
Weitere Kostenlose Bücher