VAMPIRE SOULS - Böses Blut: Roman (German Edition)
meiner Nase herum und sehe nichts. Rein gar nichts. Ich öffne die Augen, so weit es geht. Vielleicht hoffe ich, auf diese Weise könnte ich Netzhautbereiche aktivieren, die mir das Sehen auch im Infrarot erlaubten.
Die Dunkelheit scheint zudem die Kälte, die sowieso schon im Keller herrscht, zu steigern. Ich bibbere heftig, was zu Schmerzen in meinem operierten Arm führt und dazu, dass ich mit den Zähnen knirsche, nur um nicht vor mich hin zu wimmern. Einem Vampir gegenüber darf man niemals Schwäche zeigen!, ermahne ich mich selbst. Auch nicht einem apathischen Vampir gegenüber. Niemals darf man sich wie Beute verhalten!
Ich ertaste mir den Weg zum Feldbett hinüber. Flach davor lege ich mich auf den Boden. Weil ich nicht mit einer Hand unters Bett fahren kann, ohne mich dabei auf den Bauch und damit auch auf den anderen, den kaputten Arm zu stützen, ziehe ich einen meiner Stiefel aus. Dann lege ich mich auf die Seite mit dem gesunden Arm und suche mit dem bestrumpften Fuß nach der Wanze, die ich unters Bett geworfen habe. Wie Curly von den Three Stooges drehe ich mich auf meiner eigenen Hüfte im Kreis – allerdings spare ich mir Curlys typisches Geräuscharsenal und mache dabei weder Ruff-ruff-ruff noch Wubb-wubb-wubb . Der Boden ist so kalt, dass es wehtut. Dennoch bewege ich mich langsam. Schließlich möchte ich die Wanze nicht aus Versehen aus dem Käfig kicken.
Endlich spüre ich durch meine Socken hindurch etwas Kleines, Festes an meinen Zehen. In der Hoffnung, es ist die Wanze und keine tote Maus, umklammere ich es mit den Zehen und ziehe das Knie an den Körper, um meine Beute zu fassen zu bekommen. Schmerz schießt mir dabei den verletzten Arm hoch. Trotzdem: Ich habe endlich die Wanze unter dem Bett hervorgeholt.
Ich setze mich auf. Mit den Fingern der gesunden Hand taste ich das kleine Gerät vorsichtig ab. Die Kunststoffhülle scheint unbeschädigt, das flaumig weiche Mikro ebenfalls intakt. Aber wer weiß? Vielleicht ist im Inneren der Wanze etwas beschädigt worden, als ich sie so rüde unters Bett geschossen habe. Ich ziehe die winzige, dünne Antenne heraus und halte das Abhörgerät an die Lippen.
»Wenn irgendjemand mich hören kann«, spreche ich so leise flüsternd hinein, wie ich kann, »ich brauche Hilfe. SOS.« Ich beschreibe meine Lage, beschreibe die beiden unteren Stockwerke des Gebäudes. »Bitte beeilen. Und Paracetamol mitbringen!«
Ich lasse die Wanze wieder unter das Feldbett gleiten. Inständig hoffe ich, dass Wallace zu weggetreten ist, um mitbekommen zu haben, was ich gerade getan habe – und zu weggetreten, um zu wissen, wer ich bin.
Ich lasse mich auf die dünne Matratze sinken und lehne mich an die Wand. Wegen meines verletzten Arms kann ich nicht einmal die Arme um mich schlingen, um mich ein wenig warmzuhalten. Außerdem wünschte ich, ich hätte den langen, schweren Wintermantel angezogen, nicht den kurzen Blazer. Langsam sollte ich anfangen, mich für unerwartete Aufenthalte an Orten, an denen ich gegen meinen Willen festgehalten werde, entsprechend anzuziehen.
Aus der Nachbarzelle dringt ein Geräusch zu mir herüber, dass mir das Herz stehen bleiben lässt. Wallace atmet tief durch die Nase ein, wieder aus und wieder ein – und hält den Atem an. Er grunzt.
Oh Gott!
»Du …«, krächzt er.
Ich verhalte mich still, als ob das verhindern könnte, dass er meine Witterung aufnimmt. Als ob ich dann nicht nach kaltem Schweiß riechen würde. Nichts trägt intensiver den eigenen Geruch als Angstschweiß.
»Du – warst – der – Tod«, der Vampir holt tief und rasselnd Luft, keucht, »meines – Blutvaters!«
Ich möchte protestieren, rufen, es sei Notwehr gewesen. Aber meine Stimme würde meine Identität nur bestätigen. Stattdessen kaue ich auf meinen Lippen herum, immer im Wechsel, einmal auf der Oberlippe, einmal auf der Unterlippe. Nur damit ich den Mund halte. Wenn ich Wallace nicht provoziere, wird er schon bald nicht mehr genug Kraft haben, um sich an mir zu vergreifen.
Bis morgen früh, wo mein Blut ihn nähren wird. Dann wird er wieder in der Lage sein, zu sprechen, seinen hypnotischen Vampirblick auf mich zu richten, durch die Gitterstäbe zu greifen und …
Ich bekomme Gänsehaut, als ich begreife, was mein Blut noch alles ändern wird. Die Weihwasserverbrennungen in seinem Gesicht? Verschwunden, als wären sie nie da gewesen! So schnell verheilt, dass jedem die Verbindung zur Verabreichung meines Blutes unbestreitbar ins Auge springen
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