VAMPIRE SOULS - Böses Blut: Roman (German Edition)
gebissen? Da sehe ich gar keine Male.«
Geht auch nicht, sind ja schon vor Monaten verheilt. »Nein, nicht am Hals. Ähm, nein, woanders.«
Ned errötet. »Sie müssen sich deswegen nicht schämen! Sie können die Bisswunden Dr. Shelby auch in einem separaten Raum zeigen. Sie hat schon alles gesehen, absolut alles! Wirklich.« Ned blickt in eine andere Richtung und wischt sich den Mund mit der Papierserviette ab. Ich gehe jede Wette ein, dass seine Haut wie eine topografische Karte aussieht.
»Wenn ich mich der Selbsthilfegruppe anschließe, erfahre ich dort dann auch mehr über die Festung? Es klingt, als könnte ich bei dieser Organisation genau die Hilfe finden, die ich brauche.«
Ned zögert. »Kommen Sie doch erst einmal zu unserem Treffen! Wenn Ihnen gefällt, was Sie dort hören, können wir Ihnen vielleicht mehr Einblick in das Tätigkeitsfeld der Festung gewähren. Es ist unabdingbar, die Festung zu schützen. Um jeden Preis.«
Ich kichere. »Aber sind Festungen nicht eigentlich dazu da, die zu beschützen, die sich innerhalb ihrer Mauern befinden, und nicht andersherum?«
Ned wirkt überhaupt nicht amüsiert. Er beugt sich über den Tisch. »Als man mich gezwungen hat, Gideons Zuflucht zu verlassen, hatte ich meinen Lebenswillen verloren. Erst die Festung hat mich gerettet. Manche von uns müssen einem höheren Ziel dienen, um sich selbst als ganzen Menschen zu erfahren.« Ned zerknüllt die Papierserviette, die er zuvor so kunstvoll zusammengefaltet hat. »Welchen Sinn hat das Leben, wenn man es nur für sich selbst lebt?«
In feierlichem Ernst nicke ich. Es gelingt mir, meinem Blick Weichheit, Verletzlichkeit zu geben, einen Hauch moralischer Rechtschaffenheit aufblitzen zu lassen. Für mich ist das nicht gerade einfach. Aber Ned scheine ich überzeugt zu haben, besonders, als ich noch hinzusetze: »Ich habe noch nie jemanden wie Sie getroffen, Ned.«
Er blickt überrascht drein. »Ach, wirklich?«
»Alle, die ich kenne, denken immer nur an ihr eigenes Fortkommen, nehmen sich, was immer sie brauchen. Keiner kümmert sich mehr richtig um den anderen.« Mit dem Handrücken streiche ich ihm über die Handfläche. »Aber Sie sind anders.«
Er nimmt meine Hand. »Ich glaube, wir sind echte Seelenverwandte.«
Ich versuche, nicht an seine hundertsiebzehn Bisse zu denken. »Wie lange waren Sie eigentlich in Gideons Zuflucht?«
»Fünfeinhalb Jahre. Als ich die Ranch verlassen habe, war mir, als hätte sich die Welt ohne mich weitergedreht.« Er zieht sein Handy hervor. »Diese Dinger hier zum Beispiel machen jetzt Fotos.«
»Ja, sicher, in fünfeinhalb Jahren passiert viel. Noch einmal zurück zur Festung. Wo, sagten Sie …«
»Halten Sie still!«
Ich begreife, dass er mich gerade mit seinem Handy fotografieren will. »Nein!« Ich grabsche nach dem Handy, aber rasch streckt Ned den Arm zur Seite aus: Es ist außerhalb meiner Reichweite.
»Zu spät!« Ned schaut sich auf dem Display das geschossene Foto an. »Oh, das ist nett geworden!« Er lässt das Handy zuschnappen und lehnt sich im Stuhl zurück, um es mit Hilfe des Gürtelclips an seiner Khaki-Hose zu befestigen.
Wer auch immer die Verteidiger der Festung sind, ich will sicher nicht, dass sie ein Verbrecherfoto von mir zur freien Verfügung haben. Einen Augenblick lang überlege ich, ob ich Ned meinen Kaffee über den Schoß kippe und ihm das Handy klaue, während er abgelenkt ist.
Zum Teufel, es ist ja nicht das erste Mal, dass ich sowas mache!
Ich deute über seine Schulter hinter ihn. »Glauben Sie, das Mädchen da hinter der Theke ist ein Vampir?«
Ned dreht sich um. Ich gebe meinem Kaffeebecher einen Stoß, der daraufhin quer über den Tisch fliegt und in Neds Schoß landet. Ned brüllt auf und schießt vom Stuhl hoch.
»Oje, es tut mir so schrecklich leid!«, keuche ich. »Haben Sie sich verbrannt?«
»Nein, der Kaffee war ja glücklicherweise gar nicht mehr richtig heiß.« Ned schüttelt sich den Kaffee von den Händen. Der vordere Teil seiner Hose ist durchweicht. Daraufhin will er erst sein Handy in der Hosentasche verstauen. Dann geht ihm auf, dass es dort auch nass würde. Daher legt er es auf meine Seite des Tisches, dorthin, wo keine Kaffeepfütze das Gerät zu ruinieren droht.
»Ich kaufe Ihnen gleich jetzt eine neue Hose!«
»Nein, nicht nötig, ist schon okay …«
»Aber ich bestehe darauf!« Ich schnappe mir einen Stapel Papierservierten, der auf dem unbesetzten Tisch neben uns liegt und reiche Ned ein paar davon.
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