VAMPIRE SOULS - Böses Blut: Roman (German Edition)
voreinander, nicht wahr? Nur vor allen anderen. Ich wette, dein Freund weiß nichts von uns.«
»Ich habe ihm alles erzählt.«
»Oh, Ciara!« Sie beginnt zu weinen. Vielleicht ist es nur der blecherne Widerhall des Handylautsprechers, aber es klingt unecht. »Wie kannst du nur! Du musst dich ja vor dir selbst schämen!«
»Vor ihm jedenfalls muss ich mich nicht schämen!«
»Ich glaube, das ist ein Geschenk.« Sie schnieft. »Es klingt, als ob zwischen euch dasselbe Vertrauen herrscht, wie ich es immer zu deinem Vater hatte.«
Ich presse die Fingerknöchel meiner freien Hand gegen die Schläfe. Meine Mutter hat so viel für meinen Vater aufgegeben, und er hat sie nicht einmal geheiratet.
Aber sie weiß ja nicht, dass er Gelegenheit hatte, mir das zu erzählen. Denn sie weiß ja nicht, dass er nicht mehr im Gefängnis ist. Dass er sich erboten hat, Kronzeuge gegen seine Familie zu werden, um seine Freiheit zurückzuerlangen und undercover für die Liga zu arbeiten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mich strafbar machen würde, wenn ich ihr davon etwas erzählte.
Ich nehme das Weinglas und kippe den restlichen Inhalt in einem Zug hinunter. »Es tut mir leid, dass du nichts von ihm gehört hast.«
»Ich kann mir denken, wie du dich gerade fühlst. Ich habe ihn immer und immer wieder gedrängt, dich anzurufen. Ich habe ihm gesagt, er solle dir vergeben, sonst würde er es eines Tages bereuen. Entschuldige mich bitte einen Moment!« Sie putzt sich die Nase. Als sie wieder in der Leitung ist, ist ihre Stimme kräftig und klar. »Vielleicht ist das der Grund, warum er aufgehört hat, mich anzurufen. Er war es leid, dass ich ihn deinetwegen ständig angemeckert habe.«
Ich setze das Weinglas ab, ehe es unter dem Druck meiner Finger in tausend Scherben zerspringt. Alles in allem ist Mom nicht gerade perfekt, weder als Mutter noch als Mensch. Aber das hier, das hat sie nicht verdient!
Eine tiefe Frauenstimme sagt etwas zu meiner Mutter. »In Ordnung«, höre ich sie der Stimme antworten. Dann: »Ciara, meine Zeit ist um. Danke, dass du angerufen hast! Es bedeutet mir sehr viel.«
Obwohl ich weiß, dass sie das zum Heulen bringen wird – und dieses Mal echt und richtig –, sage ich: »Ich hab dich lieb, Mom.«
Statt loszuschluchzen, bleibt sie still, kein Laut, kein Wort, und ich frage mich schon, ob die Telefonzentrale unser Gespräch unterbrochen hat. »Ich hab dich auch lieb, Herzchen.« Heiser flüstert sie es, die Stimme seltsam fest, als ob sie zum ersten Mal – jedenfalls seit ich sie kenne – ihre Gefühle zurückhält, anstatt zu übertreiben.
Meine Mutter hängt ein. Ich lasse mich rücklings auf mein Kissen fallen und beobachte, wie sich über mir die Decke dreht. Mit einem auffordernden Miauen springt Antoine aufs Bett.
»He, du!« Ich streichele ihm über das seidenweiche Fell. »Stell dir vor: Habe gerade einen Alk-Anruf bei meiner Mutter gemacht!«
Das Handy klingelt in meiner Hand. Vor Schreck lasse ich es fallen, und es landet unsanft auf dem Boden. Mir wird ganz mulmig im Kopf, als ich mich hinunterbeuge, um es aufzuheben. Das Display verrät mir, dass es Shane ist.
Ich halte das Handy verkehrt herum. »Feucht-fröhliches Scheiß-giving, Schatz!«, sage ich.
»Scheiß-giving? Du hast keine Ahnung, wie wahr das ist!«
»Ach, ich dachte, du bist bei deinem Spender auf dieser T-Fest-Sause?«
»Bin ich ja. David und du, ihr müsst sofort herkommen!«
»Danke, aber ich will mein Blut lieber in meinen eigenen Adern wissen und nicht in deinem Bauch. Und falls David wirklich kommen will, was soll’s: habe ich halt den ganzen Abwasch allein am Hals!«
»Ciara, die Sache ist ernst!« Einen Moment herrscht Schweigen. Dann: »Jim hat den Reporter mit hergebracht.«
15
Dazed and Confused
Das T-Fest findet in einem großen Haus im Kolonialstil statt. Das Viertel, in dem das Haus steht, liegt am Stadtrand. Wie bei vielen Häusern an diesem Thanksgiving-Abend steht die Auffahrt voller Autos, der Straßenabschnitt davor ist zugeparkt. Damit aber enden wahrscheinlich schon die Ähnlichkeiten zwischen diesem Haus und denen in der Nachbarschaft.
Zusammen mit David stehe ich auf der umlaufenden Veranda des Hauses und klopfe an die Tür. Was ich zu sehen bekommen werde, wenn sich diese Tür öffnet, macht mir gelinde gesagt Angst.
Shane öffnet. Er sieht besorgt aus.
»Sind wir zu spät?«, fragt David.
»Nein, sie sind alle noch beim Essen.« Er lässt uns in die behaglich warme Diele ein. Es
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