VAMPIRE SOULS - Böses Blut: Roman (German Edition)
was im darunter liegenden vorgeht, wenn es im Haus still ist.«
Langsam lasse ich die Gabel sinken. »Was bin ich froh, dass ich ausgezogen bin!«
»Ciara.« David hat sich wieder an den Tisch gesetzt, aber ich sehe geflissentlich an ihm vorbei. »Wir haben nie über den Kuss gesprochen.«
»Warum dann jetzt damit anfangen?«
»Weil sich ohne eine Aussprache die Spannung, die zwischen uns herrscht, nicht lösen kann.«
»Nicht nötig, was mich angeht. Ich bin ganz gelöst.« Endlich gelingt es mir, den Bissen doch hinunterzuwürgen. »Manches im Leben ist wie das Ende von europäischen Filmen. Du weißt schon: wo die ganze Handlung irgendwie im Sande verläuft, statt dass es am Ende zu einem Hollywood-mäßigen Höhepunkt kommt.« Oh-oh, schlechte Wortwahl, ganz schlechte Wortwahl! »Ich meine so was wie eine Kampf-bis-zum-Tod-Autojagd-Szene halt.«
Mit der allseits bekannten Time-out-Geste stoppt David meinen Redefluss. »Darf ich kurz was sagen?«
»Hängt davon ab, was das ›was‹ ist.«
»Auch vor Elizabeths Tod habe ich schon an dich denken müssen. Ich habe von dir geträumt. Die Träume waren denen gar nicht so unähnlich wie der, den du Lori geschildert hast.« Als meine Augen mir fast aus dem Kopf fallen, setzt er hinzu: »Aber in meiner Version hat Shane nicht einmal einen Kurzauftritt.«
Die Hitze breitet sich über meinen Hals, die Brust hinunter und die Arme entlang aus. Ich kann nicht fassen, dass er mir das erzählt. Jims Lippen an meiner Kehle kommen mir momentan weniger gefährlich vor als das hier. Wenn David jetzt um den Tisch herumkommt, mein Gesicht in seine Hände nimmt und mich küsst, wüsste ich nicht, ob ich ihn davon abhalten würde.
»Aber im richtigen Leben kommt Shane sehr wohl vor«, sagt David, »und deswegen würde ich mich von diesen Gedanken an dich und meinen Träumen zu nichts verleiten lassen.«
»Außer ich würde dich darum bitten.«
Lange blickt er mich an. Während die Zeit sich ins Unendliche dehnt, vermag ich einen Blick in ein Paralleluniversum zu werfen. In dieser anderen Welt geht der Mann, den ich liebe, im Sonnenlicht spazieren, isst Kürbiskuchen und wird eines Tages graue Haare haben.
Aber selbst in der Fantasiewelt Nimmerlands, wo die wildesten Träume Wahrheit werden, ist der Mann im Sonnenschein derselbe wie im Mondlicht.
16
Gimme Shelter
Ich betrete den schmalen Gang, der zum Studio führt. Hinter dem schalldichten Glasfenster kann ich Shane im Studio sitzen sehen. Er beugt sich über ein Kreuzworträtsel und nickt im Takt zu den letzten Klängen eines Songs von Dinosaur Jr. Obwohl er mit dem Rücken zu mir sitzt, dreht er sich im Drehstuhl zu mir herum, als ich die Hand gegen die Scheibe lege. Hat er mich tatsächlich gespürt? Kann das sein?
Shane lächelt und winkt mich hinein. Ich schlüpfe durch die Tür ins Studio. Mit dem Rücken an der geschlossenen Tür bleibe ich stehen. Shanes Blick bekommt etwas Dunkles, Verruchtes, als er mit schweren Lidern mein schwarzes Seidenmieder, die hochhackigen Stiefel und den roten Seidenmini in sich aufnimmt.
»Wow-ha!« Der Song endet, und er zieht sich das Mikro ein Stück hinunter zu den Lippen. »Drei Uhr vierzig am Morgen. Hier ist WVMP auf vierundneunzig Komma drei, das Herzblut des Rock ’n’ Roll. Es ist eine milde Nacht für diese Jahreszeit. Vierundfünfzig Grad Fahrenheit oder, für die Engländer unter uns, zwölf Grad Celsius«, sein Blick wandert zu dem schwindelerregend kurzen Saum meines Minirocks, »und die Temperaturen sollen noch steigen. Wetter genau wie im guten alten England, in Manchester zum Beispiel, der Heimat unserer nächsten Band.«
Shane zieht einen anderen Regler auf und Fools Gold von den Stone Roses sprudelt über den Äther, so funky, dass man eigentlich nicht stillhalten kann. Mit sparsamen, geschmeidigen Bewegungen ist Shane bei mir, um mich zu begrüßen. »Ja, Miss? Kann ich Ihnen weiterhelfen?«
Ich lasse meinen Finger am Reißverschluss seiner zerschlissenen Jeans entlanggleiten. »Mir wäre sehr geholfen, wenn der längste Track aufgelegt würde, der sich hier finden lässt.«
»Sie haben Glück.« Er zieht mich in seine Arme. »Was läuft, ist die Maxiversion.«
Auf den wenigen Quadratmetern, die wir Platz haben, tanzen wir halb so schnell, wie es der Funk-Rhythmus der Stone Roses zuließe. Shane hat seinen linken Arm um meine Taille geschlungen; Handfläche an Handfläche, die meiner Linken und die seiner Rechten, verschränken wir unsere Finger
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