Vampire trinken ex
»Der größte Teil ist in Wertpapieren festgelegt. Meine
Maklerfirma schickt mir alle drei Monate eine Abrechnung, aber es gibt
natürlich immer Schwankungen .«
»Eine Million ?« brummte ich. »Eine halbe Million? Zwei Millionen?«
»Eine halbe«, antwortete er
schließlich. »Vielleicht ein wenig mehr.«
»Wenn Sie sterben, wer bekommt
dann das Geld ?«
» Chastity und Daphne erhalten jede fünfzigtausend. Der Rest soll für die Errichtung einer
Horace-Chase-Stiftung verwendet werden, die dieses Haus in ein
Horace-Chase-Museum mit Filmtheater umwandeln und so lange die Mittel für den
Unterhalt zur Verfügung stellen wird, bis das Unternehmen sich aus den
Eintrittsgeldern selbst trägt. Chastity soll, wenn
sie annimmt, die erste Kuratorin des Museums werden und ein großzügiges Gehalt
bekommen .«
»Vierhunderttausend Dollar für
die Unsterblichkeit von Horace Chase.« Ich pfiff leise. »Für einen bescheidenen
Mann habe ich Sie allerdings nie gehalten .«
»Ich finde, dieses Gespräch ist
plötzlich unerhört langweilig geworden, Holman «, fuhr
er mich an. »Wenn Sie keine intelligenten Gedanken beisteuern können, dann wäre
es mir lieber, Sie würden mich jetzt allein lassen .«
»Wollen Sie immer noch, daß ich
Fern Grierson ausfindig mache ?«
»Deshalb habe ich Sie
engagiert«, erwiderte er kalt. »Und ich habe den Auftrag noch nicht
zurückgezogen .«
Ich stieg die lange Treppe
hinauf und marschierte in die Küche, wo Chastity wartete. Sie trug wieder eines jener beinahe durchsichtigen Hängekleider, diesmal
in Anthrazitgrau.
»Setzen Sie sich, Holman «, sagte sie. »Ruhen Sie Ihren torkelnden Geist aus.
Ist Ihnen Whisky recht ?«
»Sehr. Mit Eis bitte .« Ich setzte mich ihr gegenüber an den geschrubbten
Küchentisch.
»Und wie fanden Sie Großvater ?« Sie schob mir das gefüllte Glas zu.
»Um seine Unsterblichkeit
besorgt«, antwortete ich. »Tragen Sie immer diese losen Hänger, durch die ich
einfach nicht hindurchsehen kann ?«
»Der Einfall stammt von
Großvater«, erwiderte sie. »Er meint, sie passen in die Atmosphäre des Hauses .«
»Und Sie tun immer, was er sagt ?«
Sie zuckte die Schultern.
»Ich sagte Ihnen ja schon, ich
bin die einzige noch lebende Angehörige, aber er könnte es sich ja jederzeit
anders überlegen und mich enterben .«
»Oder ewig leben«, meinte ich.
»Das bestimmt nicht, wenn seine
Ärzte recht haben«, versetzte sie leise. »Sie geben ihm noch höchstens sechs
Monate .«
»Und es besteht überhaupt keine
Aussicht auf Heilung ?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Aber lassen Sie Großvater
nicht merken, daß ich es Ihnen erzählt habe. Er will es unbedingt geheimhalten .«
»Weiß außer Ihnen beiden jemand
davon ?«
»Nur Sie.« Sie lächelte
traurig. »Ich dachte, Sie würden ihn dann ein wenig besser verstehen .«
»Ich verstehe ihn überhaupt
nicht«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
»Sind Sie bei Ihren
Nachforschungen nach Fern Grierson schon
weitergekommen ?«
»Überhaupt nicht«, knurrte ich.
»Was halten Sie von den anderen ?«
»Sie entpuppten sich so, wie
Sie sie beschrieben hatten«, erwiderte ich. »Fühlen Sie sich eigentlich hier
nie einsam ?«
Sie nickte rasch. »Doch. Aber
im Moment kann ich dagegen nichts tun .«
»Als die sechs Monate
abzuwarten ?«
»Sie sind ein kaltschnäuziger
Zyniker, Holman «, zischte sie ärgerlich.
»Ein Realist«, verbesserte ich.
»Horace Chase scheint im Moment nur um seine eigene Unsterblichkeit besorgt zu
sein. Was meinen Sie denn, wie Sie sich fühlen werden, wenn er tot ist und Sie
den Altar hüten, der seiner Erinnerung geweiht ist ?«
Ihre großen, dunklen Augen
blickten mich verständnislos an.
»Was reden Sie da ?«
»Haben Sie denn für später
keine Pläne ?«
»Ich habe versucht, überhaupt
nicht daran zu denken«, sagte sie kleinlaut. »Aber eines weiß ich: ich möchte
diesem gräßlichen Haus so schnell wie möglich
entrinnen. Vielleicht mache ich eine Schiffsreise oder so etwas, wenn Großvater
mir so viel Geld hinterlassen hat, daß ich es mir leisten kann .«
»Er hat Sie nicht über die
Verfügungen seines Testaments unterrichtet ?«
»Nein.« Sie richtete sich starr
auf. »Sie vielleicht?«
»Weil ich danach fragte«,
antwortete ich. »Vielleicht sollten Sie ihn auch fragen .«
»Sie meinen, Sie werden mir
nichts sagen ?«
»Ich finde, Sie sollten es von
ihm selbst hören«, versetzte ich fröhlich.
»Sie sind eben doch ein
kaltschnäuziger Zyniker, Holman «,
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