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Vampire und andere Kleinigkeiten

Vampire und andere Kleinigkeiten

Titel: Vampire und andere Kleinigkeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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stieg ein korpulenter Marin aus. Er war etwa 1,80 Meter groß und schien aus lauter runden Formen zu bestehen. Die umfangreichste davon war zweifellos sein Bauch. Sein runder Kopf war fast kahl, doch knapp über den Ohren umkreiste ein Haaransatz seinen Schädel. Seine kleinen Augen waren ebenfalls rund und genauso schwarz wie sein Haar und sein Anzug. Sein Hemd war strahlend weiß, seine Krawatte wiederum schwarz und ohne jedes Muster. Er sah aus wie der Direktor eines Bestattungsinstituts für geisteskranke Straftäter.
    »Es gibt nicht allzu viele Leute, die ihre Gartenarbeit um Mitternacht erledigen«, bemerkte er mit einer überraschend melodiösen Stimme. Die ehrliche Antwort - dass ich am liebsten den Garten harkte, wenn ich mich dabei mit jemandem unterhalten konnte, und dass mir heute Nacht Bubba half, der nicht ins Sonnenlicht treten konnte - blieb besser ungesagt.
    Also nickte ich nur. Was sollte man auf so eine Bemerkung auch schon erwidern.
    »Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie die Frau sind, die unter dem Namen Sookie Stackhouse bekannt ist?«, fragte der korpulente Mann. Er sagte es auf ein Weise, als würde er oft Geschöpfe ansprechen, die weder Mann noch Frau, sondern etwas vollkommen anderes waren.
    »Ja, Sir, das bin ich«, erwiderte ich höflich. Meine Großmutter, Gott habe sie selig, hatte mich schließlich gut erzogen. Aber sie hatte keinen Dummkopf erzogen; ich würde ihn nicht gleich ins Haus bitten. Außerdem wunderte ich mich, warum der Fahrer nicht ausstieg.
    »Dann habe ich eine Erbschaft für Sie.«
    »Erbschaft« bedeutete, dass irgendwer gestorben war. Ich hatte keine Verwandten mehr, außer meinen Bruder Jason, und der saß mit seiner Freundin Crystal im Merlotte's an der Bar. Jedenfalls hatte er dort gesessen, als ich mich vor ein paar Stunden von meinem Kellnerinnen-Job in den Feierabend verabschiedet hatte.
    Die kleinen Geschöpfe der Nacht nahmen ihre Ge-sänge wieder auf, da sie wohl der Ansicht waren, dass die großen Geschöpfe der Nacht nicht zum Angriff übergehen würden.

    »Eine Erbschaft, mir?«, fragte ich. Von anderen Leuten unterscheidet mich, dass ich telepathisch veranlagt bin. Vampire, deren Hirne ich in einer von der Kakophonie menschlicher Gedanken lärmenden Welt einfach als Punkte tiefer Stille wahrnehme, sind die idealen Gefährten für mich, weshalb mir das Geplauder mit Bubba vorhin auch so viel Spaß gemacht hatte.
    Jetzt sollte ich mein Talent mal auf Touren bringen.
    Das hier war doch kein zufälliger Besuch. Also ließ ich meine Schutzbarrieren herunter und öffnete mich meinem Besucher. Während der korpulente Mann noch mit meiner grammatikalisch höchst fragwürdigen Antwort zu kämpfen hatte, warf ich schon einen Blick in seinen Kopf. Dort traf ich statt eines regelmäßig dahinfließenden Stroms von Ideen und Bildern (die übliche Sendeart von Menschen) Gedanken an, die sich wie eine Art elektrische Spannung entluden.
    Er war irgendeine Art übernatürliches Geschöpf.
    »Für mich?«, korrigierte ich mich selbst, und er lächelte mich an. Seine Zähne waren äußerst spitz.
    »Von wem?«
    »Erinnern Sie sich an Ihre Cousine Hadley?«
    Nichts hätte mich mehr überraschen können als diese Frage. Ich lehnte die Harke an die Mimose, schüttelte den Müllbeutel, den wir bereits gefüllt hatten, und zog das Verschlussband zu, ehe ich das Wort ergriff. Ich konnte nur hoffen, dass mir nicht die Stimme versagen würde, wenn ich ihm antwortete.
    »Ja, sicher.« Okay, ich klang etwas heiser, aber meine Worte waren deutlich zu verstehen.

    Hadley Delahoussaye, meine einzige Cousine, war schon vor vielen Jahren in die Unterwelt der Drogen und Prostitution abgetaucht. Ich hatte noch ihr Bild aus dem vorletzten Highschooljahr in meinem Fotoalbum. Es war das letzte, das sie hatte machen lassen, denn in dem Jahr war sie nach New Orleans abgehauen, um sich ihren Lebensunterhalt mithilfe ihres Einfallsreichtums und ihres Körpers zu verdienen. Meine Tante Linda, ihre Mutter, war im zweiten Jahr nach Hadleys Verschwinden an Krebs gestorben.
    »Lebt Hadley noch?«, fragte ich, kaum fähig, die Worte herauszubringen.
    »Nein, leider nicht«, sagte der dicke Mann und putzte geistesabwesend seine schwarzgeränderte Brille mit einem sauberen weißen Taschentuch. Seine schwarzen Schuhe waren so blank poliert wie Spiegel.
    »Ihre Cousine Hadley ist tot, leider.« Anscheinend bereitete es ihm Genuss, das sagen zu können. Er war ein Mann - oder was auch immer -, der

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