Vampire und andere Kleinigkeiten
Nachtclubbesitzerin etwas. Sie starrte mich zwar immer noch aus zusammengekniffenen braunen Augen an und zerrte an ihren Fesseln, doch sie schien den Emst der Lage etwas besser zu begreifen.
»Ich werde Sie jetzt anfassen«, erklärte ich ihr. Weil ich Angst hatte, sie könnte mich beißen, wenn ich ihr an die nackte Schulter griff, legte ich ihr die Hand auf den Unterarm, kurz über dem Handgelenk, das an die Armlehne des Schreibtischstuhls gefesselt war.
Ihre Gedanken waren ein einziges labyrinthisches Gewirr aus Wut. Sie konnte nicht einen klaren Gedanken fassen, da sie so aufgebracht war; und ihre ganze geistige Kraft ging dafür drauf, die Zwillinge zu verfluchen und jetzt auch mich. Mich hielt sie für eine Art Mörderin mit übernatürlichen Fähigkeiten, und ich beschloss, dass es nicht schaden könnte, wenn sie noch eine Zeit lang Angst vor mir hätte.
»Wann haben Sie Claudette heute Abend zuletzt gesehen?«, fragte ich.
»Als ich die Einnahmen von der ersten Show holen ging«, knurrte sie; und tatsächlich sah ich in ihren Gedanken, wie Rita die Hand ausstreckte, eine lange weiße Hand, die nach einer Vinylgeldtasche mit Reißverschluss griff. »Ich saß in meinem Büro und habe gearbeitet während der ersten Show. Aber zwischendrin hole ich immer das Geld, damit wir nicht so viel verlieren, falls wir ausgeraubt werden.«
»Claudette gab Ihnen die Geldtasche, und darin sind Sie gegangen?«
»Ja. Ich wollte das Bargeld in den Safe legen, bis nach der zweiten Show. Ich habe sie nicht wiedergesehen.«
Das schien meiner Meinung nach der Wahrheit zu entsprechen. Ich konnte in Ritas Gedanken keine andere Vorstellung von Claudette finden. Obwohl ich jede Menge Freude darüber entdeckte, dass Claudette tot war, und eine geradezu grimmige Entschlossenheit, Claude in ihrem Club zu halten.
»Willst du eigentlich immer noch ins Foxes wechseln, jetzt, da Claudette tot ist?«, fragte ich Claude, um von ihm eine Antwort zu bekommen, die irgendetwas aus Rita hervorlocken könnte.
Einen Augenblick lang sah Claude mich nur an, erstaunt und empört. »Ich hatte noch keine Zeit, darüber nachzudenken, was morgen sein wird«, schnauzte er dann. »Ich habe gerade meine Schwester verloren.«
Ritas Gedanken machten so etwas wie einen Freudensprung. Sie war unheimlich verknallt in Claude.
Und ganz nüchtern betrachtet, war er der große Kassenmagnet des Hooligans, denn er konnte selbst noch an einem lahmen Abend einen solchen Zauber ver-breiten, dass die Leute jede Menge Geld ausgaben.
Claudette hatte ihre magischen Kräfte nicht so bereitwillig in den Dienst von Ritas Profit gestellt, aber Claude dachte einfach nicht weiter darüber nach. All seinen angeborenen Elfencharme einzusetzen, damit die Leute ihn bewunderten, war für Claude vor allem ein Egotrip, der mit Geld nur sehr wenig zu tun hatte.
Das alles erfuhr ich im Bruchteil einer Sekunde von Rita.
»Okay«, sagte ich und stand auf. »Ich bin fertig mit ihr.«
Was war Rita froh.
Wir verließen die Speisekammer und traten in die Küche, wo der letzte als Mörder infrage kommende Kandidat wartete. Man hatte ihn gefesselt an den Tisch gesetzt, doch vor ihm stand ein Glas mit Strohhalm, sodass er sich jederzeit vorbeugen und etwas trinken konnte. Ihm hatten die Zwillinge nicht mal den Mund zugeklebt. Claudes ehemaliger Geliebter zu sein hatte sich offenbar ausgezahlt für Jeff Puckett.
Ich sah von Claude zu Jeff und versuchte, mir ein Bild zu machen. Jeff hatte einen hellbraunen Schnauzbart, der mal wieder gestutzt werden müsste, und an den Wangen einen Dreitagebart. Seine Augen waren schmal und haselnussbraun. Soweit ich es beurteilen konnte, war Jeff weit besser in Form als einige der Rausschmeißer, die ich kannte, und er war sogar noch größer als Claude. Aber Eindruck machte das alles nicht auf mich, und ich dachte wohl zum millionsten Mal, wie seltsam die Liebe doch war.
Claude wappnete sich sichtlich, als er seinem ehemaligen Geliebten gegenübertrat.
»Ich bin hier, um herauszufinden, was Sie über Claudettes Tod wissen«, erklärte ich auch ihm, weil wir die Tür zur Speisekammer geschlossen hatten, als wir Rita befragten. »Ich bin Telepathin, und ich werde Sie anfassen, wenn ich Ihnen jetzt gleich ein paar Fragen stelle.«
Jeff nickte. Er war sehr angespannt und hatte seinen Blick auf Claude fixiert. Ich stellte mich hinter den Stuhl, auf dem er hockte, und legte ihm meine Hän-de auf die muskelbepackten Schultern. Sein T-Shirt musste ich ein
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