Vampire und andere Kleinigkeiten
mich wieder auf meinen Stuhl gesetzt«, sagte Jeff. »Claudette war schon an der Kasse und hatte alles bereitliegen, Wechselgeld, Stempel, Geldtasche. Aber sie redete ja nicht mit mir.«
»Sind Sie sicher, dass es Claudette war?«, fragte ich einfach ins Blaue hinein.
»Claudine war's jedenfalls nicht, falls Sie das meinen«, sagte er. »Claudine ist so lieb wie Claudette ätzend war, und sie sitzen sogar unterschiedlich.«
Claudine wirkte hoch erfreut und warf das Kerngehäuse ihres Apfels in den Mülleimer. Sie lächelte mich an und vergab mir bereits, dass ich Fragen über sie gestellt hatte.
Der Apfel.
Claude, der immer ungeduldiger wurde, wollte etwas sagen. Doch ich hob die Hand, und er hielt inne.
»Ich werde Claudine jetzt bitten, Ihnen die Knebel abzunehmen«, sagte ich zu Rita und Barry. »Aber ich möchte, dass Sie nur dann reden, wenn ich Ihnen eine Frage stelle, okay?« Beide nickten.
Claudine nahm die Knebel ab, während Claude mich finster anstarrte.
Gedanken schwirrten durch meinen Kopf wie eine aufgescheuchte Vogelschar.
»Was hat Rita mit der Geldtasche gemacht?«
»Nach der ersten Show?« Jeff schien verwirrt. »Äh, das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Sie hat sie mitgenommen.«
In meinem Kopf ging eine Alarmsirene, los. Jetzt wusste ich, dass ich auf der richtigen Spur war.
»Sie sagten, dass Claudette schon alles bereitliegen hatte, als Sie sie vor der zweiten Show an der Kasse sitzen sahen.«
»Ja. Und? Sie hatte den Stempel, das Wechselgeld und die Geldtasche«, sagte Jeff.
»Richtig. Sie brauchte ja eine zweite Geldtasche für die zweite Show. Die erste Geldtasche hatte Rita mitgenommen. Als Rita die Einnahmen der ersten Show holen kam, hatte sie also die zweite Geldtasche in der Hand, richtig?«
Jeff versuchte, sich zu erinnern. »Äh, vermutlich.«
»Wie war das, Rita?«, fragte ich. »Haben Sie die zweite Geldtasche mitgebracht?«
»Nein«, erwiderte sie. »Es waren zwei an der Kasse zu Beginn des Abends. Ich habe nur die eine mitgenommen, die sie schon benutzt hatte. Ihr blieb noch eine leere für die Einnahmen der zweiten Show.«
»Barry, haben Sie Rita zur Kasse gehen sehen?«
Der blonde Stripper dachte angestrengt nach. Ich spürte jede einzelne Idee, die an die Innenseite seines Schädels schlug.
»Sie hatte irgendwas in der Hand«, sagte er schließlich. »Da bin ich mir ganz sicher.«
»Nein«, schrie Rita. »Die zweite war schon da!«
»Wieso ist die Geldtasche überhaupt so wichtig?«, fragte Jeff. »Es ist doch nur so ein Vinylding mit Reißverschluss, wie man es in jeder Bank kriegt. Wie hätte so was Claudette schaden sollen?«
»Und was, wenn die Innenseite mit Zitronensaft eingerieben gewesen wäre?«
Die beiden Elfen zuckten zusammen, mit einem Ausdruck äußersten Entsetzens im Gesicht.
»Hätte das Claudette töten können?«
»Oh, ja«, sagte Claude, »sie war besonders empfindlich. Sie musste sich ja schon übergeben, wenn sie Zitronenduft nur roch. Ihr ging es immer total schlecht, wenn wir unseren Waschtag hatten, bis wir herausfanden, dass die Trockentücher nach Zitrone dufteten. Und Claudine musste immer alle Einkäufe erledigen, weil in den Geschäften so viele Sachen diesen widerlichen Geruch haben.«
Rita begann zu schreien. Es war ein Schrei so schrill und nervtötend wie die Alarmanlage eines Autos, die weiter- und immer weiterlief. »Ich schwöre es, ich war's nicht!«, rief sie. »Ich war's nicht! Ich war's nicht!« Aber ihre Gedanken sagten: »Erwischt, erwischt, erwischt.«
»Doch, Sie waren es«, entgegnete ich.
Die beiden noch lebenden Geschwister bauten sich vor dem Schreibtischdrehstuhl auf. »Überschreiben Sie uns den Club«, forderte Claude.
»Was?«
»Überschreiben Sie uns den Nachtclub. Wir zahlen Ihnen sogar einen symbolischen Dollar dafür.«
»Warum sollte ich das tun? Es gibt keine Leiche! Sie können nicht zur Polizei gehen! Was wollen Sie denen sagen? Etwa: >Wir sind Elfen und allergisch gegen Zitronen.<« Sie lachte. »Wer glaubt denn so was?«
»Elfen?«, wiederholte Barry ungläubig.
Jeff sagte gar nichts. Er hatte nicht gewusst, dass die Drillinge gegen Zitronen allergisch waren. Und ihm war auch nicht klar gewesen, dass sein Geliebter ein Elf war. Die Menschen können einem manchmal schon echt leidtun.
»Lasst Barry gehen«, schlug ich vor.
Claude schien wieder zu sich zu kommen. Er hatte Rita angestarrt wie eine Katze einen Kanarienvogel.
»Tschüss, Barry«, sagte er höflich, als er die Fesseln
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