Vampire und andere Kleinigkeiten
Wenn Sie niemanden ermordet haben, haben Sie doch nichts zu befürchten.«
Ich legte in meine Stimme einen Schmelz wie von Butter, die über einem Maiskolben zerfließt.
»Was werden die mit mir machen? Was, wenn Ihnen ein Fehler unterläuft und Sie sagen, dass ich es war? Was werden die dann mit mir machen?«
Gute Frage. Ich sah die beiden an.
»Wir töten ihn und fressen ihn auf«, sagte Claudine mit einem hinreißenden Lächeln. Als der Blonde mit vor Schreck aufgerissenen Augen von ihr zu Claude sah, zwinkerte sie mir zu.
Soweit ich wusste, hätte Claudine das genauso gut ernst meinen können. Ich konnte mich nicht erinnern, ob ich sie schon jemals etwas hatte essen sehen. Wir bewegten uns hier auf gefährlichem Terrain. Ich versuche immer, mich auf die Seite der Menschen zu schlagen, wenn ich kann. Oder zumindest, sie lebend aus solchen Situationen zu befreien. Ich hätte Sams Angebot besser annehmen sollen.
»Ist dieser Mann der einzige Verdächtige?«, fragte ich die Zwillinge. (Sollte ich sie Zwillinge nennen? Genau genommen waren sie ja zwei Drittel eines Drillingspaares. Nee. Zu kompliziert.)
»Nein, wir haben noch einen Mann in der Küche«, sagte Claude.
»Und eine Frau in der Speisekammer.«
Unter anderen Umständen hätte ich gelächelt. »Warum seid ihr so sicher, dass Claudette tot ist?«
»Na, sie kam in Geistergestalt zu uns und hat es uns erzählt.« Wieder sah Claude mich erstaunt an.
»Es ist ein Todesritual des Elfenvolkes.«
Ich richtete mich wieder auf und versuchte, mir die eine oder andere intelligente Frage einfallen zu lassen. »Beschreibt der Geist euch denn nicht die Umstände seines Todes, wenn so was passiert ist?«
»Nein«, erwiderte Claudine kopfschüttelnd; ihr langes dunkles Haar schwang hin und her. »Es ist eher so etwas wie ein endgültiges Lebewohl.«
»Habt ihr die Leiche gefunden?«
Jetzt wirkten sie beide empört. »Wir lösen uns auf«, erklärte Claude in ziemlich hochmütigem Ton.
So viel dazu, dass man die Leiche untersuchen könnte.
»Könnt ihr mir sagen, wo Claudette war, als sie sich, äh, auflöste?«, fragte ich. »Je mehr ich weiß, desto gezielter kann ich Fragen stellen.« Das Gedankenlesen ist nämlich gar nicht so einfach. Nur wenn man die richtigen Fragen stellt, bekommt man auch die Antworten, nach denen man sucht. Der Mund kann alles sagen. Der Kopf lügt zwar nie. Aber wenn man nicht die richtigen Fragen stellt, taucht auch nicht der richtige Gedanke auf.
»Claudette und Claude sind Erotiktänzer im Hooligans«, sagte Claudine so stolz, als würde sie verkünden, dass sie einem Olympiateam angehören.
Ich hatte noch nie zuvor Stripper kennengelernt, weder männliche noch weibliche. Und ich muss sagen, dass ich mehr als nur ein wenig daran interessiert war, Claude einmal strippen zu sehen. Doch ich zwang mich, mich auf die verstorbene Claudette zu konzentrieren.
»Aha. Hat Claudette heute Abend denn gearbeitet?«
»Sie hatte Kassendienst. Es war Damenabend im Hooligans.«
»Oh. Okay. Dann bist also nur du, äh, aufgetreten«, sagte ich zu Claude.
»Genau. Es gibt zwei Shows am Damenabend. Ich war der Pirat.«
Vor meinem geistigen Auge stieg eine Fantasie auf, die ich zu unterdrücken versuchte.
»Und dieser Mann da?« Ich wies mit einem Kopfnicken auf den Blonden, der sich ganz gut hielt, was das Bitten und Betteln anging.
»Ich bin auch Stripper«, erzählte er selbst. »Ich war der Polizist.«
Okay. Einfach rein mit diesen Fantasien in eine Kiste und draufsetzen.
»Wie heißen Sie denn?«
»Barry der Barbier, aber das ist nur mein Bühnenname. Eigentlich heiße ich Ben Simpson.«
»Barry der Barbier?« Ich war verwirrt.
»Ich rasiere die Leute eben gern.«
Einen Augenblick lang stand ich total auf der Leitung. Doch als ich begriff, dass er nicht den Bartwuchs meinte, sondern den Haarwuchs in einer ganz anderen Körperregion, spürte ich, wie mir die Röte ins Gesicht schoss. »Und wer sind die anderen beiden?«, fragte ich die Zwillinge.
»Die Frau in der Speisekammer ist Rita Child. Ihr gehört das Hooligans«, sagte Claudine. »Und der Mann in der Küche heißt Jeff Puckett. Er ist der Rausschmeißer.«
»Warum habt ihr von all den Angestellten im Hooligans gerade diese drei herausgepickt?«
»Weil sie Streit hatten mit Claudette. Sie war eine sehr temperamentvolle Frau«, sagte Claude ernst.
»Temperamentvoll, hah, so ein Scheiß!«, rief Barry der Barbier und bewies damit, dass gutes Benehmen keine zwingende
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