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Vampire's Kiss

Vampire's Kiss

Titel: Vampire's Kiss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Wolff
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wieder diese Peitsche. Ich hätte wissen müssen, dass sie irgendwann wieder ins Spiel kommen würde. Trinity mochte Emma hassen, aber Masha hasste einfach aus Prinzip. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie jede von uns Neuen mit dieser Peitsche zerfleischt. Ich erinnerte mich an das Zischen der Lederschnur, wenn sie nach den Beinen schlug, nach dem Gesicht …
    Ich ließ meinen Blick durch den Speisesaal schweifen und musterte die Anwesenden. Alle beobachteten die Szene schweigend und mit einer gewissen Sensationslust, sichtlich erleichtert, dass sie nicht an meiner Stelle waren. Ich war sicher, dass mir niemand zu Hilfe kommen würde.
    Als ich mich wieder Masha zuwandte und ihrem hasserfüllten Blick begegnete, beschloss ich, meinen Verstand einzusetzen und erst mal zu versuchen, mich mit Worten aus meiner misslichen Lage zu befreien. »Glaubst du wirklich, dass Vampire von solchen Schikanen in aller Öffentlichkeit begeistert wären? Sie bevorzugen doch eher das große Theater, den Pomp. Ich meine, wo kämen wir denn hin, wenn hier alle beim geringsten Anlass Amok laufen und einander umbringen würden? Das erscheint mir ganz schön krass.«
    Ganz im Ernst, es grenzte an ein Wunder, dass so viele von uns noch am Leben waren – bei diesen Furien, die jederzeit bereit schienen, uns ein Messer in die Rippen zu stoßen. Und es wurde erwartet, dass wir ihre Grausamkeiten in Demut hinnahmen. Danke, Ma’am! Noch ein paar Hiebe, bitte!
    »Vampire bevorzugen die natürliche Auslese«, sagte sie. »In jeder Form.«
    »Ja, ja. Töten oder getötet werden. Toller darwinistischer Ansatz. Schließlich leben wir hier auf unserer eigenen kleinen Galapagos-Insel, oder?«
    Aber dann fiel mir ein, dass die Guidons schon mehrfach vergeblich versucht hatten, mich umzubringen. Sie hatten mich ausgesperrt und gezwungen, halb nackt durch die Winterkälte zu rennen. Sie hatten mich mitten in der Nacht in die Wildnis verschleppt und mit blutgierigen Dämonen und nicht minder blutgierigen Acari allein gelassen. Sie hatten alles getan, um mich auszuschalten, aber ich war immer noch im Spiel.
    Mashas harte Stimme holte mich zurück in die Gegenwart. »Du glaubst, dass du unsere Methoden in Frage stellen kannst, Acari?«
    »Nein. Ich glaube, dass du ganz einfach stinkig bist, weil ich mich von dir nicht plattmachen lasse. Aber sieh mich an!« Ich straffte die Schultern und richtete mich hoch auf. »Noch stehe ich.«
    »Nicht mehr lange, dann hole ich dich von den Beinen.« Im Zorn machte sich ihr russischer Akzent stärker bemerkbar.
    »Wir werden sehen, Genossin .« Ich spannte mich an und wartete auf den unvermeidlichen Peitschenhieb.
    Mit einer lässigen Bewegung aus dem Handgelenk schwang sie die Peitsche. Die Lederschnur glitt wie eine Schleife oder eine Kaskade schwarzen Wassers zu Boden. Ein Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel, als sie die Hand hob. Der Gedanke, dass sie mir gleich die Haut in dünnen Streifen abziehen würde, schien sie zu erregen.
    Vielleicht hatte meine Reaktion tatsächlich mit Ronan zu tun. Vielleicht wog ich meine Chancen ab und kam zu dem Schluss, dass ich aller Voraussicht nach eher gekillt als geküsst wurde. Jedenfalls setzte ich mich diesmal zur Wehr, als Masha auf mich losging.
    Sie schnalzte mit der Peitsche, und anstatt den Hieb einzustecken, tat ich das Unmögliche: Ich fing das Ende der Schnur ein und hielt es fest.
    Dazu muss gesagt werden, dass Masha schon einmal die Peitsche gegen mich erhoben hatte. Sie zielte meist auf die rechte Wange einer Acari. Und als sich die Schnur diesmal auf mich zuschlängelte, schien das in Zeitlupe zu geschehen. Ich wandte den Kopf ab und schützte mein Gesicht mit weit gespreizten Fingern.
    Das Leder biss in meine Haut. Ein heißer Schmerz durchzuckte mich. Aber das hielt mich nicht davon ab, mit beiden Händen nach der Lederschnur zu fassen, sie um meine Fäuste zu wickeln und so heftig daran zu rucken, dass Masha der Griff entglitt.
    In diesem Moment erkannte ich, dass das Vampirblut nicht nur den Heilungsprozess beschleunigte: Es hatte mich stärker und meine Reflexe schneller gemacht.
    Meine zweite Lektion? Guidons sahen es nicht gern, wenn sich eine Acari wehrte.
    Im Speisesaal brach Chaos aus. Eingeweihte umringten mich. Nirgends waren Sucher oder Vampire in Sicht. Allerdings betraten Letztere den Speisesaal ohnehin so gut wie nie. Einige Acari waren klug genug, die Flucht zu ergreifen. Die übrigen drängten sich näher heran, damit ihnen ja nichts von dem

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