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Vampire's Kiss

Vampire's Kiss

Titel: Vampire's Kiss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Wolff
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und ihre Grausamkeit vergessen, wenn ihr der Rektor meine Bestrafung abnahm. Das hatte sich gleich nach unserer Ankunft gezeigt, als er eine der Neuen so achtlos und ungerührt mit seinen Fängen aufschlitzte, als öffnete er eine Cola-Dose.
    Sein Blick wanderte über uns hinweg und erfasste jedes noch so kleine Detail – wer was in Händen hielt, wer wo und neben wem stand. An Masha blieb er schließlich hängen. »Was ist hier los, Guidon?«
    »Ich ahnde gerade eine Disziplinlosigkeit.« Ihre Knopfaugen funkelten, und ich hegte den finsteren Verdacht, dass sie sich ein Lächeln verbiss.
    Aber dieses unterdrückte Lächeln verflog beim Tonfall des Rektors. »Das ist eine merkwürdige Art, unsere Regeln durchzusetzen. Außer, mit diesem … Narrentreiben sollte eine besondere Absicht verfolgt werden.« Noch einmal wanderte sein Blick durch den Speisesaal, und Abscheu spiegelte sich auf seinen attraktiven Zügen. » Assez regrettable. Nun, Guidon Masha, war dieses Narrentreiben Absicht?«
    »Nein, Rektor Fournier«, entgegnete Masha kleinlaut.
    »Ab jetzt kümmere ich mich um die Angelegenheit hier. Guidon Masha, wir beide sprechen uns noch.« Er wandte sich verächtlich an den dichten Zuschauerring. »Alle anderen verlassen jetzt den Saal.«
    Acari, Vampir-Anwärter und Eingeweihte wuselten wie Mäuse aus dem Speisesaal.
    Ich bückte mich und versuchte meine Tasche mit den Fingerkuppen der Linken aufzunehmen – den einzigen Stellen meiner Hände, die nicht bluteten.
    »Stopp«, sagte der Rektor.
    Ich ließ die Tasche fallen und richtete mich kerzengerade auf. Mir war von Anfang an klar gewesen, dass Emma und ich nicht so leicht davonkommen würden. Wir befanden uns jetzt allein mit dem Rektor im Raum, und ich hätte viel darum gegeben, Emmas Gesicht zu sehen.
    »Natürlich kann ich euch nicht straffrei gehen lassen. Was haltet ihr für angemessen, Acari? Eine körperliche Züchtigung, einen Arrest oder vielleicht etwas von beidem?« Er wirkte jetzt fast gelangweilt, als wären wir zwei lästige Halbwüchsige, die wieder mal Ärger machten. Aber dann rang er sich zu einem Entschluss durch, und sein Blick wurde hart. »Acari Emma, du kommst mit mir.«
    Mir schnürte es die Kehle zusammen. Nahmen sie jetzt die Gelegenheit wahr, Emma dafür zu bestrafen, dass sie aus dem Semester-Wettbewerb ausgestiegen war? Würde ich sie je wiedersehen?
    »Und du.« Der Rektor sah mich scharf an, und ich spürte, wie mein Herz zu hämmern begann. »Acari Drew, du meldest dich bei Master Alcántara. Er wird deine Bestrafung übernehmen.«

Ich hatte mehr als Schiss.
    Krass, ja, aber anders lässt sich nicht beschreiben, was ich empfand, als ich über den Innenhof auf Alcántaras Amtsräume zuging. So ähnlich musste sich ein zum Tode Verurteilter auf dem Weg zum Galgen oder auf der Hinrichtungsplanke eines Piratenschiffs gefühlt haben.
    Oder doch nicht. Weil es genau genommen noch schlimmer war.
    Ich verlangsamte meine Schritte, als das Naturwissenschaften-Gebäude in Sicht kam. Es war ein gedrungener Ziegelbau, und wären unsere Lehrer keine Vampire gewesen, hätte man ihn für irgendein Lehrinstitut auf irgendeinem Campus im Nordosten der USA halten können. Alles, was fehlte, war der Efeu, der sich an den Außenmauern hochrankte.
    Ich rieb mir die Arme und ärgerte mich, dass ich nicht meinen dicken Parka, sondern den leichteren marineblauen Mantel angezogen hatte. Sommer, dass ich nicht lache! In der letzten Woche war die Temperatur nie auf mehr als zehn Grad gestiegen. Blöde Insel der Nacht … eine Scheißwetterinsel war das!
    Ich war froh, dass ich den kleinen Umweg in den Wohntrakt gewagt und mich umgezogen hatte. Für eine Dusche hatte es zwar nicht gereicht, aber ich fühlte mich in meiner grauen Tunika und den Leggings bedeutend sicherer als in den feuchten Shorts.
    Die Eingangsstufen schlich ich geradezu nach oben.
    Wenigstens war es drinnen warm. Die Heizkörper gurgelten und klopften, als sei bereits der Herbst über uns hereingebrochen. In den Gängen herrschte Halbdunkel. Nicht viele Studenten hatten Einzelunterricht in Mathe oder Physik. Nachhilfe schien vor allem im Freien stattzufinden.
    Alcántara hatte seine Räumlichkeiten im zweiten Stock, und ich ging auf das Treppenhaus am Ende des Korridors zu, vorbei an einer Reihe unbeleuchteter Büros, meinem Phänomenologie-Saal zur Rechten und einer Bibliothek zur Linken.
    »Du hast mich gefunden.« Alcántara tauchte aus den Schatten.
    Ich fuhr zusammen und presste

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