Vampire's Kiss
bekleidet, alle bedrohlich.
Ich sah Emma an. Flüchtig betrachtet war ihr nichts anzumerken. Sie saß gelassen da wie immer und putzte ihre Fleischpastete weg. Aber ich kannte meine Freundin gut. Ihre Züge waren angespannt, die Lippen zusammengepresst. Wie ich fürchtete sie diese Mädchen.
Und mit gutem Grund. Emma war im gleichen Semester wie ich und damit meine Konkurrentin, doch bis jetzt hatten wir es geschafft, einem Kampf aus dem Weg zu gehen. Allerdings nur, weil sie sich aus dem Wettstreit um den Direktoratspreis zurückgezogen hatte, als sie meinen Namen auf der Liste ihrer Gegnerinnen fand.
Die Vampire waren in diesem Punkt sehr nett gewesen und hatten uns immer wieder versichert, dass man keinen Zwang ausüben werde. Als daher die Mädchen merkten, dass es bei jedem Kampf um Leben und Tod ging, waren einige ausgestiegen. Aber Vampire waren nie wirklich nett, und ich hatte von Anfang an geahnt, dass es sich bereits bei der Anmeldung um einen Test handelte. Die sogenannte freiwillige Teilnahme war eine Möglichkeit, die schwächeren – oder weniger mordgierigen – Mädchen unseres Semesters auszusortieren.
Mit ihrem Rückzug aus dem Wettbewerb hatte Emma sich unbeliebt gemacht.
Besonders sauer über diesen Schritt waren die Eingeweihten. Sie vertraten die Überzeugung, dass jedes Mädchen anzutreten und sein Bestes zu geben hatte. Von den Acari, die sich dieser Pflicht entzogen hatten, waren bereits einige verschwunden.
Und die Eingeweihten, die in unserer Nähe herumlungerten, waren angefressen. Ich konnte ihren Zorn spüren, und Emmas starre Haltung verriet mir, dass die schlechte Stimmung auch ihr bewusst war. Ihr drohte zwar nicht direkt eine Gefahr, aber sie stand unter scharfer Beobachtung.
»Acari Drew?«, fragte Ronan. Der offizielle Name aus seinem Mund ließ mich hochschrecken, und ich kehrte augenblicklich in die Gegenwart zurück. Offenbar hatten er und Amanda schon eine Weile versucht, sich bemerkbar zu machen.
»Yeah … ich meine, jawohl .« Wenn uns die Eingeweihten beobachteten, war es wohl am besten, die Form zu wahren. Keines der Mädels sollte auf den Gedanken kommen, dass ich hier auf der Insel Verbündete und Beschützer hatte. »Jawohl, Sucher Ronan?«
»Ich gehe davon aus, dass wir unseren Einzelunterricht wieder aufnehmen, nun, da ich zurück bin.«
Schwimmen. Ich machte ein langes Gesicht. Zugegeben, ich war stolz darauf, dass ich meine anfängliche Angst vor dem Wasser überwunden und schwimmen gelernt hatte, aber das reichte doch vollkommen. Ich musste den nassen Sport nicht auch noch mögen, oder? »Wäre es nicht an der Zeit, meinen Horizont in andere Richtungen zu erweitern? Schwimmen kann ich ja inzwischen.«
»Nicht gut genug. Noch nicht.«
Was hieß das nun wieder, und warum klangen seine Worte so, als wollte er mir eigentlich etwas ganz anderes sagen?
Doch bevor ich etwas entgegnen konnte, erhob sich Ronan. Er nickte uns zum Abschied kurz zu, drehte sich um und ging ganz einfach.
»Dann wäre das wohl geklärt«, murmelte ich. Wenn die Eingeweihten nicht in der Nähe gewesen wären, hätte ich ihm vermutlich eine Grimasse hinterhergeschickt.
»Er hat recht.« Amanda hob ihre Umhängetasche vom Boden auf und streifte sich den Riemen über die Schulter. »Du kannst schwimmen, und das ist echt super. Aber du weißt selbst, dass dein Können nicht ausreicht, um dich notfalls vor dem Ertrinken zu bewahren. Du musst lernen, an deine Grenzen zu gehen. Das heißt, den Atem am längsten anzuhalten. Am tiefsten zu tauchen. Die kraftvollste und furchtloseste aller Schwimmerinnen zu werden.« Sie schob ihren Stuhl zurück und stand auf. »Aber jetzt gibt es erst mal dringendere Aufgaben zu erledigen.« Sie warf Emma einen bedeutsamen Blick zu. Offensichtlich war ihr nicht entgangen, dass die Geier uns umkreisten, und einen Moment lang blitzte Mitgefühl in ihren Augen auf. »Bis später, Mädels.«
Ich schob ebenfalls den Stuhl zurück und griff nach meiner Tasche. Vielleicht konnten wir uns aus dem Staub machen, bevor die Eingeweihten ihre Attacke starteten. Vielleicht erreichten wir ungeschoren den Wohntrakt, wenn wir uns lässig unterhielten und so taten, als bemerkten wir die Gefahr nicht. »Immer nerven sie mich mit dem Schwimmen«, sagte ich in einem ruhigen, leicht scherzhaften Tonfall. »Warum nie dich? Und erzähl mir nicht, dass du zwischen Äckern und Kuhweiden viel Gelegenheit zum Schwimmen hattest!«
Keine Bewegung von hinten. Noch waren wir sicher.
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