Vampire's Kiss
Ich stemmte beide Ellenbogen in die Seiten, um zu verhindern, dass das Tablett in meinen Händen zu zittern begann. »Aber wahrscheinlich gab es irgendwo auf eurer Farm eine Ross-Schwemme oder einen Fischweiher.«
Emma nickte. Sie setzte eben zu einer Antwort an, als sich Masha auf den Platz fallen ließ, den Ronan kurz zuvor verlassen hatte. »Ihr geht schon?«
Ihr schwacher russischer Akzent hatte etwas Spielerisches, ganz im Gegensatz zu der schweren Lederpeitsche, die sie ständig mit sich rumschleppte. Tatsächlich verdankte ich es nur den Heilkräften des Vampirbluts, dass der rasiermesserdünne Schnitt, den sie mir mit ihrer Peitsche über die Wange gezogen hatte, keine Narbe hinterlassen hatte.
Mist. Ich war von Anfang an in Mashas Schusslinie gewesen, und das hatte sich seit dem Wettkampf noch verschlimmert. Vielleicht kam das daher, dass Alcántara den Anschein erweckte, als bevorzugte er mich – ich wusste noch zu wenig über die Beziehungen zwischen den Inselbewohnern, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass Vampire in Acari mehr sahen als Blutspender.
Wie auch immer, Masha nahm jede Gelegenheit wahr, um mich zu schikanieren. Und im Moment war ich echt nicht in der Stimmung, so tolle Späße wie Beinstellen im Korridor lustig zu finden. In der Hoffnung, die Lage zu entschärfen, senkte ich kurz das Kinn, um meinen Respekt anzudeuten, zwang mich aber, ihr in die Augen zu schauen. Masha war eine der höchstrangigen Guidons, und Guidons hatten es nicht gern, wenn man keine Notiz von ihnen nahm. »Ich …«
Von hinten legten sich Hände auf meine Schultern und drückten mich zurück auf den Stuhl. »Immer langsam, kleine Acari. Wir sind noch nicht fertig mit dir und deiner Freundin.«
Die unsichtbaren Hände krallten sich tief in meine Schultern, ehe sie mich losließen. »Du hast nicht brav aufgegessen. Eine Verschwendung ist das, nicht wahr, Masha?«
Ich erkannte die Stimme von Guidon Trinity. Ihr gehörten also die Klauenfinger.
Mist im Quadrat.
Ich riskierte einen Blick nach hinten. Trinity war die Eingeweihte, die meiner Freundin das Leben besonders schwer machte. Seit Emma sich aus dem Wettkampf zurückgezogen hatte, gönnte ihr Trinity keine ruhige Minute mehr. Und das Abartige an der Sache war, dass die beiden die einzigen Rotschöpfe auf der ganzen Insel waren.
Von ihrer Haarfarbe mal abgesehen, hätten die Erzfeindinnen nicht unterschiedlicher sein können. Im Gegensatz zu Emma mit ihrem gemächlichen North-Dakota-Slang hatte Trinity die forsche, harte Sprechweise des Nordostens und das Auftreten der privilegierten Ostküsten-Zicke. Ich hätte wetten können, dass sie ähnlich wie Lilou irgendwann vom Edel-Internat in den Jugendstrafvollzug abgerutscht war, bevor sie sich hier wiederfand.
»Stimmt genau.« Masha spielte mit der dünnen Spitze ihrer Peitsche und schüttelte mit einem missbilligenden Tsk den Kopf. »Manche Leute stehen hungrig vom Tisch auf, und diese Acari glaubt, sie könnte die Hälfte ihrer Mahlzeit auf dem Teller vergammeln lassen.«
Trinity setzte sich, und ein harter Glanz trat in ihre Augen, als sie den Blick auf Emma richtete. »Aber nicht Emma. Acari Emma isst brav fertig.«
Immer mehr Acari schlenderten herbei und blieben in unserer Nähe stehen. Dieses Schauspiel wollten sie sich nicht entgehen lassen. Allerdings setzten sie sich nicht. Offensichtlich zogen hier Masha und Trinity die Schau ab.
»Kaut wie eine Kuh«, stellte Masha fest.
Trinity beugte sich vor. »Ihr hattet doch sicher Kühe auf eurem Hof, Acari Emma, oder? Irgendwie stinkst du nämlich immer noch nach Kuhstall.«
Emma verlor selten die Beherrschung, und ihre Miene blieb meist ausdruckslos. So auch jetzt. Leider reizte das die Guidons umso mehr. Und Trinity tat alles nur Erdenkliche, um sie zu einem Zornausbruch zu provozieren.
»Seht sie euch an!«, spottete Trinity, und je mehr sie ihre Stimme erhob, desto leiser wurde es im Speisesaal. »Schaufelt das Essen in sich rein wie eine Bauerntrulle. Bist du immer so verfressen? Oder kennt man das bei euch auf dem Land nicht anders?«
Ich entdeckte eine schwache Gemütsbewegung in Emmas Augen. Ich hatte keine Ahnung, wie sie diese Attacke kontern würde, und sie wusste es offenbar auch nicht so recht. Im Saal herrschte atemlose Stille. Alle genossen das Spektakel. Niemand machte auch nur einen Finger krumm, um der Sache ein Ende zu bereiten.
»Acari Drew.« Trinitys harter Blick wandte sich mir zu, und ich empfand ihre Aufmerksamkeit wie
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