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Vampire's Kiss

Vampire's Kiss

Titel: Vampire's Kiss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Wolff
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erinnerte ich mich auch daran, wie er mich ausgetrickst hatte. Bei seiner Anmache auf einem Parkplatz in Florida war ich davon ausgegangen, dass da ein heißer College-Boy seinen Schmachtblick an mir ausprobierte. In Wahrheit hatte er versucht, mich zu hypnotisieren. Zu hypnotisieren! Das muss man sich mal vorstellen.
    Aber so leicht ging das bei mir nicht – zu irgendetwas musste es ja gut sein, dass mein IQ jede Norm sprengte –, und er hatte nicht nur seine Augen, sondern auch noch seine magischen Berührungen eingesetzt, um mich in das Flugzeug zu locken, das uns auf dieses öde Felseneiland namens Eyja næturinnar brachte. Insel der Nacht. Ein lachhafter Name, da es im Sommer, den die Vampire zu meinem Ärger als Dämmerlicht bezeichneten, null Dunkelheit gab – nur grauen, grauen, grauen Himmel, der schwer auf uns lastete.
    In der Anfangszeit, als mir die Dunkelheit Angst machte, hatte Ronan mich gewarnt, dass ich sie noch vermissen würde. Er hatte es gewusst, so wie er viele andere Dinge über mich zu wissen schien. In der Tat, wenn ich genau darüber nachdachte, war er einer meiner ersten Freunde hier auf der Insel gewesen.
    Also versuchte ich, nicht genau darüber nachzudenken.
    Stattdessen betrachtete ich das aufgewühlte graue Meer und tat so, als hätte ich mit scharfen Jungs und ihren seelenvollen Blicken absolut nichts am Hut. Und wem machte ich damit was vor? Ich vermisste Ronan. Ich vermisste ihn echt. Nicht nur als Lehrer, obwohl ich so ziemlich jeden Sucher für Otto eingetauscht hätte. Aber irgendwas – keine Ahnung, was – fehlte, wenn er nicht da war.
    Beispielsweise Ronans Augen, die an tiefe Wälder erinnerten und mich immer so durchdringend beobachteten.
    »Okay, dann hast du eben nicht an Ronan gedacht«, sagte Emma, und ich hörte die Skepsis in ihrer Stimme. Sie verlagerte nachdenklich ihr Gewicht. Lange Reden waren nicht ihr Ding; sie sprach meist langsam und wählte ihre Worte mit Bedacht. »Ich finde nur, dass du seit dem Semesterpreis des Direktorats irgendwie … verändert bist. Früher hast du dich gut mit Ronan verstanden. Ich sah euch oft zusammenstehen und reden. Aber dann kam der Wettbewerb, und du hast gewonnen, und seitdem war Sense. Kein Kontakt mehr. Da dachte ich, vielleicht …«
    Die Gefühle übermannten mich, so heftig und unvermittelt, dass ich die Zähne zusammenbeißen musste.
    Was dachte sie? Dass ich ihn vermissen könnte? Dass ich seine Nähe als selbstverständlich betrachtet hatte? Dass die Aussicht, ihn nie wiederzusehen – denn sie ahnte wohl, dass ich jede Möglichkeit zum Untertauchen nutzen würde –, mein inneres Gleichgewicht schwer durcheinandergebracht hatte?
    Wenn dem so war, dann hatte sie in allen Punkten recht.
    Ich winkte ab. »Ich habe nur ein paar Fragen an ihn. Das ist alles.«
    Genau genommen ein ganzes Bündel von Fragen. Fragen, die ich ihm nun natürlich nicht mehr stellen konnte. Ich hatte die Endausscheidung gegen Lilou gewonnen. Der Preis war eine Reise, die von dieser Insel wegführte. Vielleicht für immer, wenn ich es geschickt anstellte. Aber dann hatte ich Ronan ertappt, wie er mich heimlich beobachtete, und in seinem Blick hatte ich etwas gelesen – Bedauern? Kummer? Sehnsucht? –, das mich seitdem verfolgte.
    Was genau hatte dieser Blick bedeutet? Wusste er, dass ich meine Flucht plante?
    »Glaubst du, er ist eifersüchtig auf Alcántara?« Emma senkte ihre Stimme zu einem Flüstern, eine kluge Maßnahme, wenn man sich über Vampire unterhielt – und ganz besonders über Hugo de Rosas Alcántara, der aus dem 14. Jahrhundert stammte und einst am spanischen Königshof gelebt hatte.
    »Eifersüchtig?« Das würde voraussetzen, dass zwischen Alcántara und mir etwas lief. Obwohl ich tatsächlich den Verdacht hegte, dass er meinen Kampf gegen Lilou irgendwie manipuliert hatte. Dazu kam sein Verhalten nach meinem Sieg, die Art, wie er mich umarmt und festgehalten hatte, als mein geschundener Körper den Dienst zu verweigern drohte. Aber wenn Ronan eifersüchtig war, hieß das doch, dass ich ihm nicht gleichgültig war. Der Gedanke wühlte mich auf. »Niemals. Ronan ist nicht eifersüchtig.«
    Sehr viel wahrscheinlicher hatte ihn der flüchtige Blick in die dunklen Tiefen meines Wesens beunruhigt, die Erkenntnis, dass es mir ein wildes, primitives Vergnügen bereitete, meine Rivalin auszuschalten. Es fiel mir selbst schwer, diesen Charakterzug zu akzeptieren. »Vielleicht haben ihn diese Kämpfe bis zum bitteren Ende mehr

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