Vampire's Kiss
kann es nicht riskieren, einen meiner Leute einzuschmuggeln, ehe wir wissen, ob er noch lebt und wo sie ihn gefangen halten.«
Meine erste Reaktion war: Aber ein Mädchen einzuschmuggeln, das kannst du riskieren? Dann erst registrierte ich den Anfang seiner Botschaft, und mein Unmut schwand. Ich straffte die Schultern, durchdrungen von neuer Energie. » Ich soll herausfinden, wo sie ihn gefangen halten? Ich ganz allein?«
Ich entdeckte einen völlig neuen Aspekt des Lebens auf dieser Insel, von dem ich bisher nichts geahnt hatte. Es war weit mehr als eine Highschool der Hölle, wo Cheerleader Killer und der Rest weggetretene Soziopathen waren. Ich trainierte für eine Streitmacht des Guten . Bald würde ich von hier verschwinden und mein Wissen und Können in der richtigen Welt anwenden – vielleicht als Geheimagentin oder in Genf bei Interpol … was immer das für eine Truppe war.
Seine Augen glitzerten, als er meine Erregung sah. »Ja, querida , du ganz allein wirst seinen derzeitigen Aufenthalt erkunden. Doch dann bekommst du Helfer …«
»Wir werden ihn retten?«
Er nickte. »Gemeinsam werden wir mit ihm in die Freiheit segeln, du und ich. Bist du bereit?«
All das Wir und Uns und Zusammen schuf ein Gefühl der Nähe zu Alcántara. Und so waren meine Haltung und mein Tonfall trotz des ernsten Gesprächsthemas völlig ungezwungen. »Ich war von Geburt an bereit«, sagte ich lächelnd und summte die Melodie von I was born ready vor mich hin.
Er lachte laut und ausgelassen. Vermutlich hatte er den Song noch nie gehört.
Unwillkürlich stimmte ich in sein Gelächter ein, doch dann dachte ich erschrocken: O mein Gott, das ist doch Wahnsinn! Du bist im Begriff, dich an einen Vampir zu binden!
Ich hegte schon länger den Verdacht, dass Alcántara mir geholfen hatte, den Semesterwettbewerb zu gewinnen – und nun kannte ich auch den Grund. Ich war eindeutig die beste Wahl für diese Mission. Ich meine, welche Acari außer mir konnte das Wort Althochdeutsch auch nur buchstabieren? Aber wenn ich in Betracht zog, wie er mich ansah und wie er mit mir scherzte, kam mir noch eine zweite Möglichkeit in den Sinn. Vielleicht hatte er mir schlicht und einfach auch geholfen, weil er mich mochte.
Der Gedanke ermutigte mich, die nächste Frage zu stellen: »Und was hat mein Kellnern mit all dem zu tun?«
»Die Synode der Sieben hat ein Gipfeltreffen einberufen und dazu Vampire aus der ganzen Welt eingeladen.«
»Aus der ganzen Welt?«, unterbrach ich ihn verblüfft.
Er hielt den Kopf schräg und sah mich belustigt an. »Überleg doch, meine Kleine! Glaubst du, dass es nur im Nordseeraum Vampire gibt? Wirklich? Wir lieben die dunklen, kalten Gegenden. Die gibt es allerdings auch in Russland, Finnland oder Alaska, und so haben sich unsere Artgenossen dort ebenfalls niedergelassen. Nun aber kommen sie hierher, in ein halb zerfallenes Kloster auf einer abgelegenen Privatinsel, von deren Existenz kaum jemand weiß. Diese Vampire bringen Heerscharen von Dienstboten mit – Butler, Mägde, Köche, Lakaien und so fort.«
Ich nickte. Das überraschte mich ganz und gar nicht. Vampire gehörten der alten Schule an – sie würden wie alle Haushalte der früheren Oberschicht jede Menge Personal haben, in Livree gekleidet und mit tadellosen Manieren ausgestattet. Plötzlich passten alle Teile zusammen und fügten sich zu einem Gesamtbild: meine Rolle, unsere Mission, der Unterricht in Gesellschaftstanz und Tischkultur …
»Und ich werde auf die Insel geschmuggelt und spiele dort die Kellnerin.«
Er winkte ungehalten ab. »Benutze nicht immer diesen vulgären Ausdruck, mijita . Du bist keine Kellnerin . Bedienstete klingt viel hübscher.«
»Die Bezeichnung ist unwichtig. Ich werde jedenfalls verdeckt ermitteln.«
»In der Tat. Bei all dem Kommen und Gehen sind die Kontrollen sicher nicht besonders streng. Ich hoffe, dass wir unbemerkt landen können. Vor Ort habe ich Verbindungsleute, die dich zum Kloster bringen, mit der passenden Kleidung versorgen und dir deinen Platz zuweisen werden.«
Alcántara verließ sich voll auf mich. Und ich würde ihn nicht enttäuschen. Ich wusste, dass ich diesen Auftrag erfüllen konnte. »Welchen Platz?«, fragte ich, begierig, mehr zu erfahren.
»Du musst ein schlichtes Gemüt vortäuschen und eines von vielen hübschen Serviermädchen spielen. Aber in Wahrheit, querida , wirst du der hellste Stern im ganzen Saal sein.« Er strich über mein Haar, und ein kalter Schauer lief mir
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