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Vampire's Kiss

Vampire's Kiss

Titel: Vampire's Kiss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Wolff
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entspannte mein Zwerchfell und atmete aus, ohne den Oberkörper zum Schutz der angeknacksten Rippe nach vorn zu krümmen. Dann konzentrierte ich mich nach allen Regeln der Meditationskunst, bis mein Verstand schließlich einen Punkt schimmernder Klarheit jenseits der Schmerzen fand.
    Ich stellte eine mentale Verbindung zu meinem Ziel her … Ich stehe fest auf dem Boden. Mein Umfeld verengte sich auf die schwarz-weißen konzentrischen Ringe. Ich horchte nur auf das Pochen des Blutes in meinen Ohren, und meine Welt schrumpfte immer mehr, bis nur noch ein winziger schwarzer Punkt übrig war – das Zentrum der Scheibe. Mein Ziel. Ich warf.
    Mitten ins Schwarze.
    Der Wunsch, einen Triumphschrei vom Stapel zu lassen, durchbrach meine Konzentration. Der Schmerz gewann die Oberhand und breitete sich explosionsartig in meinem Körper aus. Unwillkürlich presste ich eine Hand auf die rechte Seite. Doch gleich darauf hatte ich mich wieder in der Gewalt und tat so, als müsste ich nach der Anstrengung ein wenig Atem schöpfen.
    Als ich mich Alcántara zuwandte, war ich ruhig und gelassen, obwohl ich am liebsten einen kleinen Freudentanz aufgeführt hätte. »Noch eine Kostprobe?«, fragte ich.
    Er winkte lachend ab. »Nein, das genügt voll und ganz, acarita . Wächterin Priti hatte recht. Unter Druck läufst du zur Höchstform auf.«
    Er verschränkte die Arme und musterte mich eingehend. »Wie ich höre, waren gewisse Aspekte des Sportunterrichts nicht leicht für dich … Schwimmen und Fitnesstraining zum Beispiel. Und doch hast du die Schwierigkeiten unerschrocken gemeistert. Mit einer Disziplin, um die dich die anderen Mädchen beneiden.«
    Ich wurde beneidet? Das Lob ließ mein Herz höher schlagen. Einen Moment lang verlor ich meine Nervosität und vergaß, wer er war. Ich vergaß auch, dass ich mich eigentlich mit Fluchtgedanken trug. Es war ein unbedeutender Erfolg, aber für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich, meinen Weg gefunden zu haben. Die Schiene, die zum Erfolg führte, zu einem erfüllten Leben. »Es macht mir Spaß, mein Bestes zu geben.«
    Er nickte zufrieden. »Ich stelle mit Freuden fest, dass du dich ungemein gründlich auf unsere Mission vorbereitet hast. Nun gilt es, nur noch eine Lücke zu schließen, ein letztes Gebiet, mit dem du dich vertraut machen musst.«
    Ich unterdrückte das dümmliche Grinsen, das sich immer wieder auf meine Züge stehlen wollte. Stattdessen wartete ich angespannt auf seine nächsten Worte. Vielleicht hatten die lächerlichen Dinge, mit denen ich bis jetzt befasst gewesen war – Gesellschaftstanz und Anstandslehre etwa –, nur dazu gedient, mein Engagement zu testen, und die wahre Einweisung kam jetzt. Wir begaben uns immerhin auf eine Mission . Hieß das, dass ich lernen sollte, wie man Bomben auslöste oder Feindnachrichten abhörte oder –
    »Es geht darum, Tischmanieren zu lernen«, erklärte er.
    »Wie bitte?« , fragte ich verwirrt und belustigt zugleich.
    Aber Alcántaras Gesichtsausdruck verriet mir, dass er nicht scherzte. »Ich weiß um deine … ärmlichen Familienverhältnisse. Aber da, wo wir hingehen, musst du dich mit den Gepflogenheiten der Oberschicht auskennen. Bist du in der Lage, ein Fischmesser von einem Buttermesser zu unterscheiden? Weißt du, was eine Vorlageplatte ist? Und wie bei einem Gedeck die Gläser für Wasser und Wein anzuordnen sind?«
    Ich fiel ihm ins Wort. Ich konnte nicht anders. Der Übergang von Wurfsternen zum Tischdecken war ziemlich unvermittelt erfolgt und brachte mich völlig durcheinander. »Ich kann doch ganz einfach bei den anderen abgucken, was zu tun ist, wenn wir irgendwo vornehm tafeln. Solange ich nicht bei Tisch bedienen muss …«
    »Genau das wird deine Aufgabe sein, Acari Drew. Bei Tisch bedienen.«
    Das durfte nicht wahr sein. »Moment … ich soll … kellnern? Wir sprechen doch über unsere Mission, oder?«
    Sein Blick wurde eisig. »Du wirst in der nächsten Woche einen Intensivkurs absolvieren, der sich nur mit Tischdecken und Tischmanieren befasst.«
    Schon wieder Anstandslehre. Ich wusste nicht, ob ich lachen, weinen oder sonst etwas tun sollte. Wetten, dass die Vampir-Anwärter nie und nimmer einen Intensivkurs in Tischmanieren belegen mussten? Es war frustrierend. Absurd. Aber ich ließ mir nichts anmerken. Ein Mädchen war nun mal ein Mädchen und musste sich fügen, wenn es am Leben bleiben wollte. »Ich fange noch heute damit an.«
    Er lächelte wieder und hob mit kühlen Fingern mein Kinn

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