Vampirgeflüster
Amelia, ganz die Logik in Person, ein.
Ich zuckte die Achseln und versuchte, einen verlegenen Eindruck zu machen, was nicht allzu schwer war.
Besser sie hielten mich für eine, die mit jedem ins Bett stieg, als für eine, die einer näheren Betrachtung wert war. »Wir hatten gemeinsam ein schreckliches, aufwühlendes Ereignis durchgemacht. Und danach haben wir uns einander sehr nahe gefühlt. So haben wir eben reagiert.« In Wirklichkeit war Barry fast umgehend aufs Bett gesunken, und ich bald darauf eingeschlafen. Ein Techtelmechtel wäre das Letzte gewesen, woran wir gedacht hätten.
Die beiden Agenten sahen mich zweifelnd an. Weiss dachte, dass ich mit Sicherheit log, und Lattesta vermutete es. Er war der Ansicht, dass ich Barry sehr gut kannte.
Das Telefon klingelte, und Amelia eilte in die Küche, um dranzugehen. Als sie zurückkehrte, war sie ganz grün im Gesicht.
»Sookie, das war Antoine, von seinem Handy aus. Sie brauchen dich im Merlotte's«, sagte sie. Und dann wandte sie sich an die FBI-Agenten. »Sie sollten besser gleich mitfahren.«
»Warum?«, fragte Weiss. »Was gibt's?« Sie war bereits aufgestanden. Lattesta legte das Foto wieder in seinen Aktenkoffer.
»Eine Leiche«, sagte Amelia. »Hinter dem Merlotte's wurde eine Frau gekreuzigt.«
Kapitel 5
Die FBI-Agenten folgten mir zum Merlotte's. Am äußersten Rand der vorderen Stellplätze waren fünf oder sechs Autos so geparkt, dass sie die Zufahrt zum hinteren Parkplatz blockierten. Also sprang ich aus meinem Wagen und bahnte mir einen Weg durch sie hindurch, die beiden Agenten dicht auf den Fersen.
Ich hatte es kaum glauben können, aber es stimmte. Auf dem Parkplatz für Angestellte war ein christliches Kreuz aufgestellt worden, ganz hinten bei dem Wäldchen, wo auf dem schmutzigen Erdboden kein Kies mehr lag. Und daran hing eine Leiche. Ich blickte an dem geschundenen Leib empor, an den Strömen getrockneten Bluts, und sah schließlich das Gesicht.
»Oh nein«, stöhnte ich, und meine Knie gaben nach.
Antoine, der Koch, und D'Eriq, der Küchenjunge, standen auf einmal zu beiden Seiten neben mir und fingen mich auf. D'Eriqs Gesicht war tränenüberströmt, und Antoine wirkte erbittert, doch der Koch hatte einen klaren Kopf bewahrt. Er war im Irak und während des Hurrikans Katrina in New Orleans gewesen und hatte bereits Dinge gesehen, die noch schlimmer waren.
»Es tut mir so leid, Sookie«, sagte er.
Andy Bellefleur war da und Sheriff Dearborn. Sie kamen zu mir herüber. In ihren wasserfesten Steppmänteln wirkten sie noch größer und massiver als sonst. Ihre Mienen waren ganz hart vor Entsetzen.
»Eine Schande, das mit Ihrer Schwägerin«, begann Bud Dearborn, aber ich konnte mich kaum auf seine Worte konzentrieren.
»Sie war schwanger«, stammelte ich. »Sie war schwanger.« Das war alles, woran ich denken konnte. Es wunderte mich nicht, dass jemand Crystal umgebracht hatte, aber ich war wirklich entsetzt wegen des Babys.
Ich holte tief Luft und wagte es, noch einmal hinzusehen. Crystals blutige Hände waren Panthertatzen, und die untere Hälfte ihrer Beine war auch verwandelt. Dadurch wirkte ihr Anblick sogar noch schockierender und grotesker als die Kreuzigung einer normalen Frau und, falls das überhaupt möglich war, noch mitleiderregender.
Gedanken ohne logischen Zusammenhang rasten mir durch den Kopf. Ich überlegte, wer von Crystals Tod unterrichtet werden musste. Calvin Norris, der nicht nur der Anführer der Werpanther, sondern auch ihr Onkel war. Crystals Ehemann, mein Bruder. Warum war Crystal ausgerechnet hier zur Schau gestellt worden? Wer könnte das getan haben?
»Haben Sie Jason schon angerufen?«, fragte ich mit völlig tauben Lippen. Ich versuchte es auf die Kälte zu schieben, doch ich wusste, dass es der Schock war. »Um diese Uhrzeit müsste er in der Arbeit sein.«
»Wir haben ihn angerufen«, sagte Bud Dearborn.
»Ersparen Sie ihm bitte ihren Anblick«, erwiderte ich. Ein blutiges Bündel war das hölzerne Kreuz hinab bis auf den Erdboden gerutscht. Ich würgte, hatte mich dann aber wieder unter Kontrolle.
»Soweit ich weiß, hat sie ihn betrogen. Die Trennung muss ein ziemlich öffentliches Ereignis gewesen sein.« Bud versuchte, möglichst emotionslos zu sprechen, doch es kostete ihn enorme Anstrengung. Er kochte vor Wut.
»Dazu können Sie Dove Beck befragen«, sagte ich, sofort defensiv. Alcee Beck war Detective bei der Polizei von Bon Temps, und der Mann, mit dem Crystal meinen
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