Vampirgeflüster
ich wahrheitsgetreu, und Weiss war wirklich enttäuscht. Doch nur eine weitere Wichtigtuerin oder Verrückte, dachte sie, dabei hatte sie so gehofft, ich würde mich als echt erweisen.
»Feuerwehrhauptmann Trochek meinte, Sie hätten ihm sagen können, wo Überlebende zu finden waren, ja, Sie hätten die Rettungsteams geradezu zu den Lebenden hingeführt.«
In diesem Moment kam Amelia die Treppe herunter, die in ihrem hellroten Pullover und den Designerjeans hochseriös wirkte. Ich blickte ihr in die Augen in der Hoffnung, sie möge erkennen, dass ich sie stumm um Hilfe bat. Ich war in Rhodes einfach nicht fähig gewesen, einer Situation den Rücken zu kehren, in der ich Leben retten konnte. Als mir klar wurde, dass ich Menschen finden - und gemeinsam mit Barry Leben retten - könnte, musste ich mich der Aufgabe stellen, auch wenn ich Angst davor hatte, vor aller Welt als Freak dazustehen.
Es ist schwer zu erklären, was ich wahrnehme. Vermutlich ist es so, als würde man durch eine Infrarotbrille oder so was blicken. Ich sehe die Wärme lebendiger Hirne, und ich kann zum Beispiel die lebenden Menschen in einem Gebäude zählen, wenn ich Zeit genug habe. Vampirhirne hinterlassen ein Loch, eine Leerstelle, und die kann ich gewöhnlich auch zählen. Normale Tote dagegen nehme ich überhaupt nicht wahr. Als Barry und ich uns an jenem Tag in Rhodes an den Händen hielten, steigerte das unsere Fähigkeiten noch. Wir konnten die Lebenden finden und die letzten Gedanken der Sterbenden lesen. Das wünsche ich allerdings keinem. Und ich wollte das auch auf keinen Fall noch mal durchmachen müssen, niemals.
»Wir hatten einfach Glück«, sagte ich wenig überzeugend.
Amelia ging mit ausgestreckter Hand auf die beiden FBI-Agenten zu. »Ich bin Amelia Broadway«, sagte sie, als erwartete sie, dass sie wüssten, wer sie war.
Und sie wussten es.
»Sie sind Copleys Tochter, nicht wahr?«, fragte Weiss. »Ich habe ihn vor zwei Wochen im Zusammenhang mit einem Gemeindeprojekt getroffen.«
»Er engagiert sich wirklich sehr für die Stadt«, sagte Amelia mit einem strahlenden Lächeln. »Vermutlich hat er seine Finger überall drin. Und Dad hält große Stücke auf unsere Sookie hier.« Nicht allzu subtil, aber hoffentlich wirksam. Lassen Sie meine Mitbewohnerin in Ruhe. Mein Vater ist ein mächtiger Mann.
Weiss nickte liebenswürdig. »Und wie hat es Sie nach Bon Temps verschlagen, Miss Broadway?«, fragte sie. »Es muss Ihnen hier doch recht ruhig erscheinen, nach New Orleans.« Was macht ein reiches Miststück wie Sie hier in so einem Kaff? Und übrigens, Ihr Vater ist nicht in der Nähe, um sich für Sie zu verwenden.
»Mein Haus wurde während des Hurrikans beschädigt«, sagte Amelia und beließ es dabei. Sie erzählte ihnen nicht, dass sie schon vor Hurrikan Katrina nach Bon Temps gekommen war.
»Und Sie Miss Fant?«, fragte Lattesta. »Sind Sie auch als Flüchtling hierhergekommen?« Er hatte keineswegs das Thema meiner Fähigkeiten fallen gelassen, sondern ließ sich nur bereitwillig auf den Verlauf des Gesprächs ein.
»Ja«, erwiderte Octavia. »Ich habe unter sehr beengten Verhältnissen bei meiner Nichte gewohnt, und Sookie hat mir freundlicherweise ihr leer stehendes Zimmer angeboten.«
»Woher kennen Sie sich eigentlich?«, fragte Weiss, als erwartete sie, eine unterhaltsame Geschichte zu hören.
»Über Amelia«, sagte ich und erwiderte ihr Lächeln ganz genauso erfreut.
»Und Sie und Amelia kennen sich... ?«
»... aus New Orleans«, sagte Amelia entschlossen, allen Fragen in dieser Richtung damit ein Ende zu bereiten.
»Möchten Sie noch etwas Eistee?«, fragte Octavia Lattesta.
»Oh nein, vielen Dank«, erwiderte er beinahe schaudernd. Octavia war dran gewesen, den Tee anzusetzen, und sie hatte wirklich eine extreme Vorliebe für Zucker. »Miss Stackhouse, Sie wissen also auch nicht, wie wir mit diesem Mann Kontakt aufnehmen können?« Lattesta zeigte auf das Foto.
Ich zuckte die Achseln. »Wir haben zusammen bei der Suche nach Halbtoten geholfen. Es war ein schrecklicher Tag. Ich kann mich nicht mehr erinnern, welchen Namen er nannte.«
»Seltsam«, erwiderte Lattesta, und ich dachte: Oh, Mist. »Denn am Abend desselben Tages haben eine Frau, auf die Ihre Beschreibung passt, und ein Mann, auf den seine Beschreibung passt, in einiger Entfernung des Geschehens gemeinsam ein Motelzimmer genommen.«
»Nun, man muss nicht unbedingt wissen, wie jemand heißt, um die Nacht mit ihm zu verbringen«, warf
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