Vampirgeflüster
ist vollkommen fertig wegen Crystal«, sagte Tanya plötzlich. »Sie war seine Lieblingsnichte, und es tat ihm furchtbar leid, als sich herausstellte, wie schwer ihr die Verwandlung fiel. Und das mit den Babys.« Crystal, ein Kind generationenwährender Inzucht, hatte immer ewig gebraucht, um ihre Panthergestalt anzunehmen und sich danach wieder in einen Menschen zurückzuverwandeln. Und sie hatte auch schon mehrere Fehlgeburten gehabt. Ihr war überhaupt nur deshalb erlaubt worden, Jason zu heiraten, weil offensichtlich war, dass sie nie ein vollblütiges Baby würde austragen können.
»Könnte sein, dass sie auch dieses Baby schon vor dem Mord verloren hatte, oder sie erlitt während der Tat eine Fehlgeburt«, sagte ich. »Vielleicht wusste - wer immer es getan hat - nichts von ihrer Schwangerschaft.«
»Man sah es, aber es fiel nicht sehr auf.« Tanya nickte. »Sie war sehr wählerisch mit dem Essen, weil sie ihre Figur behalten wollte.« Sie schüttelte den Kopf, die Miene bitter. »Mal ehrlich, Sookie, macht es wirklich einen Unterschied, ob der Mörder es wusste oder nicht? Das Endergebnis ist dasselbe. Das Baby ist tot und Crystal auch, und sie starb voller Angst und ganz allein.«
Tanya hatte absolut recht.
»Glaubst du, Calvin kann am Geruch erkennen, wer das getan hat?«, fragte ich.
Tanya wirkte unsicher. »Es sind sicher viele Gerüche an der Leiche. Ich weiß nicht, wie er herausfinden will, welche Fährte die richtige ist. Sieh's dir an, so viele Leute berühren sie. Einige tragen zwar Gummihandschuhe, aber die haben auch einen Eigengeruch. Und da, sogar Mitch Norris hilft, sie herunterzuholen, und er ist einer von uns. Wie will Calvin also was erkennen?«
»Es könnte natürlich auch einer von ihnen gewesen sein.« Ich nickte zu den Leuten hinüber, die jetzt um die Leiche herumstanden. Tanya sah mich scharf an.
»Du meinst, die Polizei weiß schon etwas?«, fragte sie. »Hast du etwas gehört?«
»Nein«, erwiderte ich. Herrje, wieso konnte ich meine große Klappe nicht halten? »Es ist bloß ... keiner weiß irgendwas Genaues. Ich dachte eben nur an Dove Beck.«
»Der, mit dem Crystal im Bett erwischt wurde?«
Ich nickte. »Siehst du den großen Typen, den da - den Schwarzen im Anzug. Das ist sein Cousin Alcee.«
»Glaubst du, er könnte etwas damit zu tun haben?«
»Eigentlich nicht«, erwiderte ich. »Es ist... reine Spekulation.«
»Ich könnte wetten, dass Calvin daran auch schon gedacht hat«, sagte Tanya. »Calvin ist ziemlich clever.«
Ich nickte. Calvin stach nie besonders heraus und war nicht aufs College gegangen (ich übrigens auch nicht), aber mit seinem Verstand stimmte alles.
Dann winkte Sheriff Bud Dearborn Calvin heran. Er stieg aus seinem Pick-up und ging zu der Leiche hinüber, die in einem offenen Leichensack auf eine Bahre gelegt worden war. Calvin näherte sich der toten Crystal sehr vorsichtig, die Hände hinterm Rücken verschränkt, um die Leiche ja nicht zu berühren.
Wir sahen alle zu, einige mit Abscheu und Ekel, andere gleichgültig oder interessiert, bis er fertig war.
Dann richtete er sich auf, drehte sich um und ging zu seinem Pick-up zurück. Tanya stieg aus meinem Wagen aus, trat auf ihn zu und nahm ihn in die Arme. Sie sah ihm ins Gesicht. Er schüttelte den Kopf. Ich kurbelte mein Fenster herunter und hörte, wie er sagte: »Ich konnte nicht viel erkennen. Zu viele andere Gerüche. Sie riecht einfach nur wie ein toter Panther.«
»Lass uns nach Hause fahren, Calvin«, bat Tanya.
»Okay.« Sie hoben beide eine Hand zum Abschied, und dann war ich allein auf dem Parkplatz vor dem Merlotte's und wartete immer noch. Bud Dearborn bat mich, ihm den Eingang für Angestellte zu öffnen, und ich gab ihm die Schlüssel. Nach ein paar Minuten kam er wieder und erzählte mir, dass die Vordertür fest verschlossen gewesen sei und es kein Anzeichen dafür gebe, dass irgendwer in der Bar war, seit sie gestern Abend geschlossen wurde. Er gab mir die Schlüssel zurück.
»Kann ich das Merlotte's also öffnen?«, fragte ich. Ein paar Polizeiwagen waren schon abgefahren, die Leiche war abtransportiert und die Ermittlungen schienen abgeschlossen zu sein. Ich war bereit, noch eine Weile abzuwarten, wenn ich bald ins Haus hinein dürfte.
Doch weil Bud mir sagte, dass es noch weitere zwei oder drei Stunden dauern könnte, beschloss ich, nach Hause zu fahren. Ich hatte mit allen Angestellten gesprochen, die ich erreichen konnte, und die Leute würden bestimmt am
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