Vampirgeflüster
noch mehr über mich selbst. All die Leute, die ich schon getötet hatte, wollte ich lieber gar nicht zusammenzählen, auch wenn die meisten rein technisch betrachtet keine Menschen gewesen waren. Bis vor zwei Jahren (oder vielleicht sogar noch weniger, wenn ich die Monate einzeln abzählte) hatte ich nie einem anderen aus Wut auch nur ein Haar gekrümmt; wenn man davon absah, dass ich als Kind mal mit einem Plastikbaseballschläger auf Jasons Bauch eindrosch, nachdem er meiner Barbie die Haare ausgerissen hatte.
Herrje, reiß dich zusammen, sagte ich mir. Ist doch schon erledigt. Und ein Zurück gibt's jetzt nicht mehr.
Ich ließ den Sprühkopf fallen und drehte den Wasserhahn wieder zu.
Im schwindenden Sonnenlicht war es schwer zu beurteilen, aber ich glaube, ich hatte den Staub ziemlich gründlich weggewaschen.
»Aber nicht aus meiner Erinnerung«, sagte ich in äußerst ernstem Ton. Und dann musste ich plötzlich lachen, denn jetzt klang ich tatsächlich ein wenig verrückt. Da stand ich, draußen hinter meinem Haus, wusch Elfenblut vom Kies und redete melodramatisch auf mich selbst ein. Als Nächstes kam dann wohl der Hamlet-Monolog, den wir in der Highschool hatten auswendig lernen müssen.
Dieser Nachmittag hatte mich wirklich richtiggehend fertiggemacht.
Ich biss mir auf die Unterlippe. Mittlerweile war meine Begeisterung darüber, einen weiteren lebenden Verwandten zu haben, endgültig verflogen. Ich musste der Tatsache ins Auge sehen, dass Niall zwar charmant war (meistens), aber unberechenbar. Durch sein eigenes Tun hatte er mich, wenn auch unbeabsichtigt, in große Gefahr gebracht. Vielleicht hätte ich mich schon mal vor all dem hier fragen sollen, wie mein Großvater Fintan eigentlich war. Niall hatte mir erzählt, dass er stets über mich wachte, ohne sich mir je zu erkennen zu geben - eine ziemlich gruselige, aber auch sehr anrührende Vorstellung. Auch Niall war gruselig und anrührend. Mein Großonkel Dillon wirkte allerdings bloß gruselig.
Die Temperatur sank mit der hereinbrechenden Dämmerung, und ich zitterte schon, als ich schließlich ins Haus ging. Der Gartenschlauch könnte heute Nacht einfrieren, aber das war mir einfach egal. Im Trockner lag noch Wäsche, und ich musste etwas essen, weil ich mittags im Einkaufszentrum nichts gegessen hatte. Bald war schon Abendbrotzeit. Ich sollte mich auf die kleinen Dinge konzentrieren.
Amelia rief an, als ich die Wäsche zusammenlegte, und erzählte, sie würde gleich nach der Arbeit mit Tray zum Dinner gehen und danach ins Kino. Sie fragte mich, ob ich mitkommen wolle, doch ich sagte, ich hätte zu tun. Amelia und Tray brauchten sicher kein drittes Rad am Wagen, und dieses Gefühl war das Letzte, das ich gerade gebrauchen konnte.
Es wäre natürlich schön gewesen, nicht allein zu sein. Aber worüber hätte ich denn fröhlich plaudern sollen?
Wow, dieser Handspaten glitt in seinen Bauch, als wäre der Typ aus Gelee.
Ich schauderte und fragte mich, was ich als Nächstes tun sollte. Ein völlig unkritischer Gefährte, das war es, was ich brauchte. Ich vermisste unseren Kater Bob (auch wenn er nicht als Kater geboren wurde und jetzt keiner mehr war). Vielleicht sollte ich mir wirklich eine Katze anschaffen, eine echte diesmal. Nicht zum ersten Mal dachte ich daran, ins Tierheim zu fahren. Aber damit wartete ich besser, bis dieser Elfenkrieg vorüber war. Es war sinnlos, sich ein Haustier anzuschaffen, solange ich davon ausgehen musste, jeden Augenblick entführt oder getötet zu werden. Das wäre dem Tier gegenüber doch unfair, oder etwa nicht? Ich begann unwillkürlich loszukichern, und ich wusste: Ein gutes Zeichen war das nicht.
Zeit, mit dem Grübeln aufzuhören. Zeit, etwas Sinnvolles zu tun. Zuerst sollte ich mal den Handspaten reinigen und ihn wieder weglegen. Also trug ich ihn zur Küchenspüle, schrubbte ihn gründlich und ließ viel klares Wasser darüber laufen. Das stumpfe Eisen schien einen ganz neuen Glanz zu haben, wie ein Busch, der nach einer Dürre gewässert worden war. Ich hielt ihn gegen das Licht und betrachtete das alte Gartengerät. Dann schüttelte ich den Kopf.
Okay, der Vergleich war wirklich geschmacklos. Ich verbannte die Idee aus meinem Kopf und schrubbte weiter. Als der Handspaten schließlich makellos war, wie ich fand, trocknete ich ihn gründlich ab. Dann ging ich durch die Hintertür hinaus und marschierte durch die Dämmerung, um das verdammte Ding im Geräteschuppen wieder an den dafür vorgesehenen
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