Vampirjagd: Roman (German Edition)
können herausfinden, in welcher Richtung er steckt.«
Erschrocken fasste Urban sich an die Stirn. »Es wird doch kein entarteter Vampir sein? Mir reicht die Sache mit der schwarzen Königin. Das Weib hat uns sechs unserer Mitglieder gekostet, darunter ein paar von den Besten!«
Für einen Augenblick dachten sie an Andrea Lupacani und Ludwig Terenci, die mit vier anderen Vampiren den Umtrieben der als Schauspielerin getarnten Supervampirin Monique Prestl zum Opfer gefallen waren. Dilia wischte sich ein paar Tränen aus den Augen, denn Andrea war ihre langjährige Geliebte gewesen. Nach deren Tod hatte sie den Modesalon, den ihre Freundin gegründet hatte, verkaufen und als Konditorin weiterarbeiten wollen, es aber nicht übers Herz gebracht, das Vermächtnis der Freundin aus den Händen zu geben. Nun war sie eine der Modezarinnen Wiens und hoffte, die junge Vampirin Cynthia könnte irgendwann einmal den leeren Platz in ihrem Herzen ausfüllen.
»Ich glaube nicht, dass wir es wieder mit einem Supervampir zu tun haben«, sagte sie nach einer Weile. »Mir kommt es eher so vor, als sei die Person, die wir suchen, sich ihrer Veranlagung noch nicht bewusst und führe ein ganz normales Leben. Doch gerade das macht es so schwer. Einen Vampir in Not kann ich weitaus besser spüren als einen, dem es bis auf eine gewisse Lust, die er selber nicht beschreiben kann, noch recht gut geht.«
»Das heißt aber auch, dass der gesuchte Vampir an Auszehrung sterben kann, weil er nicht weiß, dass er einer ist«, wandte Daniela ein.
Urban winkte ab. »Bei einem Kind wäre das möglich, sogar wahrscheinlich, aber kaum bei einem erwachsenen Menschen.«
»Und was ist, wenn wir es mit einem Kind zu tun haben?«, rief Daniela aus. »Vorhin hatte ich das Gefühl, auf ein kleines Mädchen gestoßen zu sein.«
»Dann haben wir ein größeres Problem. Wie willst du den Eltern beibringen, dass ihr Kind ein Vampir ist?«, sagte Dilia seufzend.
»Gar nicht!« Urbans Miene wurde hart. »Wenn wir das versuchen, würden wir uns und alle Mitglieder des Clubs gefährden. Eher lasse ich zu, dass so ein Kind zugrunde geht.«
Daniela funkelte ihren Mann empört an. »Aber das können wir doch nicht verantworten!«
»Willst du vielleicht ein Kind kidnappen? Wir können nur abwarten, ob es überlebt. Tut es das, holen wir es in den Club, wenn es alt genug ist.«
Es war das äußerste Zugeständnis, zu dem Urban sich bereitfand, das spürten die beiden Frauen. Und auch wenn es hart klang – sie verstanden ihn. Schließlich ging es nicht nur um den unbekannten Vampir, sondern um das Wohl und Wehe aller Vampire des Wiener Clubs.
»Wir können nicht riskieren, aufzufliegen und von irgendwelchen Wissenschaftlern bis in die letzte Zelle erforscht zu werden. Das würden die meisten von uns nicht überleben. Außerdem besteht die Gefahr, dass diese Forscher herausfinden, weshalb wir so geworden sind. Dann würden sie versuchen, sich selbst und andere zu ebensolchen Wesen zu machen, um schier unendlich lange leben zu können. Das aber brächte eine neue Menschenrasse hervor, die sich vom Blut anderer ernähren muss, um nicht unterzugehen. Könnt ihr euch vorstellen, was dann auf der Welt los wäre?«, erklärte Urban bedrückt.
»Es wäre der Beginn einer weltweiten Sklaverei, bei der unzählige Menschen auf dem Stand von Schlachtvieh gehalten würden«, sagte Daniela.
»Es wäre der Beginn eines weltweiten Krieges, da diejenigen, die sich ausgeschlossen fühlen, ebenfalls an dieses Geheimnis gelangen wollen und andere sich verzweifelt dagegen wehren würden, zu Schlachtvieh – wie du es nanntest – gemacht zu werden.« Urban lachte bitter auf und schüttelte den Kopf.
»Es tut mir leid, solche Dinge sagen zu müssen. Aber Heimlichkeit ist nicht nur für unsere Sicherheit wichtig, sondern ohne Übertreibung auch für den Frieden auf der Welt. Was glaubt ihr, wie schnell man ganze Völker zu Untermenschen erklären würde, nur damit andere sich ihrer als Blutlieferanten bedienen könnten?«
Dilia schüttelte es, und sie sah Urban strafend an. »Können wir nicht von etwas anderem reden? Wenn man das hier nämlich zu Ende denkt, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns gegenseitig drei Silberkugeln ins Herz zu schießen, um die Welt von uns zu befreien.«
»Solange wir so leben, wie wir es tun, ist das nicht nötig. Außerdem könnte es sein, dass die Menschheit uns noch braucht. Irgendeinen Grund für unsere Existenz muss es ja geben.«
Urban
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