Vampirjagd: Roman (German Edition)
schaltete das Gerät an und rief das Mailprogramm auf. Die Anzeige verriet ihr, dass Martin eine rege Korrespondenz führte.
Als Erstes bat er sie, einen bestimmten File einem Kunden zuzuschicken. Anschließend diktierte er ihr einige E-Mails und ließ sich diese jedes Mal von ihr am Bildschirm zeigen.
Nach einer Weile sah er anerkennend zu ihr auf. »Du machst das wirklich gut. Eigentlich sogar besser als ich.«
Um Vanessas Lippen erschien ein herber Zug. Ein solches Lob hatte sie in all den Monaten, die sie für Berni gearbeitet hatte, nie vernommen. »Ich tue, was ich kann«, sagte sie und fuhr mit der Arbeit fort.
Martin konnte schon wieder lächeln. »Wenn ich mir eine Bürohilfe leisten könnte, würde ich dich sofort einstellen!«
In Vanessas Kopf formte sich eine Idee. »Wenn du willst, bleibe ich ein paar Tage bei dir und erledige deine Korrespondenz für dich.«
»Dagegen hätte ich nichts. Es wird mir sicher bald besser gehen, und dann kommst du ebenfalls auf deine Kosten.«
Warum mussten Männer immer nur an das eine denken?, dachte Vanessa. Da ist man einmal nett, und schon glauben sie, man möchte unbedingt mit ihnen ins Bett hüpfen. Dann merkte sie, dass schon der Gedanke an eine zärtliche Stunde ihre Lust erneut erwachen ließ. Sie schämte sich jedoch für diesen Gedanken, denn immerhin war ihre Schwester vor weniger als zwei Tagen umgekommen.
Andererseits war ihr Zusammentreffen mit Martin ein Glücksfall. Sein Appartement bot ihr ein gutes Versteck, und von hier aus konnte sie auf die Suche nach Ferdinand Rubanter und dessen Kumpanen gehen.
2
Nachdem Vanessa sich dazu entschlossen hatte, eine Weile bei Martin zu wohnen, tat sie das ihre, damit er weder an ihrer Arbeit noch an ihren hausfraulichen Fähigkeiten etwas auszusetzen hatte.
Er lobte ihr Mittagessen über den grünen Klee und verspürte anschließend Appetit auf ein Glas Rotwein, das sie ihm gerne bewilligte. Um jedoch zu verhindern, dass er zu viel trank, entfernte sie die Flasche sofort wieder, nachdem sie je ein Glas für sich und ihn eingeschenkt hatte.
»Auf dein Wohl, Martin!«
»Auf das deine!« Er konnte sich mittlerweile aufrichten und gegen das Kissen gelehnt sitzen. Nun stieß er mit ihr an und trank den Wein mit der Miene eines Genießers.
Bisher hatte Vanessa nur selten Wein und dann nur billige Sorten getrunken, die ihr nie so recht zugesagt hatten. Der Tropfen, an dem sie jetzt nippte, schmeckte jedoch nach mehr. Sofort rief sie sich zur Ordnung. Wenn sie sich betrank, würde sie ihre Selbstbeherrschung verlieren und Martin gefährden. Mit einem bitteren Lächeln räumte sie Geschirr und Besteck in den kleinen Geschirrspüler und schaltete diesen an.
»Wir können jetzt weiterarbeiten«, erklärte sie, als sie aus der Küche kam.
»Du machst wohl nie Pause? Komm, setz dich ein bisschen zu mir, damit wir miteinander reden können. Bis jetzt kenne ich ja nur deinen Kosenamen Nessi.« Martin klopfte einladend auf die Bettkante, und nach kurzem Zögern erfüllte Vanessa ihm die Bitte.
Allerdings war er es, der fast ununterbrochen redete. So erfuhr sie, dass er aus einem einfachen Arbeiterhaushalt stammte und sich sein Studium mit Jobben verdient hatte. Später hatte er mit einem Freund eine Unternehmensberatung gegründet, war aber nach gut zehn Jahren von diesem aus der Firma gedrängt worden und arbeitete seitdem als Einzelkämpfer auf eigene Rechnung.
»Ich hätte meinen Partner damals verklagen können«, sagte er leise. »Mir gegenüber hat er die Zahlen der Firma so dargestellt, als kämen wir gerade eben über die Runden, und mich mit einem Jammerbetrag abgefunden. Jetzt verdient er dreißig Millionen im Jahr und ich, wenn es gut geht, dreißigtausend. Na ja, ein paar Euro mehr sind es schon. Aber es ärgert einen doch.«
»Die Welt ist nun einmal ungerecht. Gleichheit gibt es selbst vor dem Gesetz nicht. Wer Geld hat, kann sich einen Spitzenanwalt leisten, der ihn fast aus jeder Klemme heraushauen kann. Andere hingegen werden für lächerliche Kleinigkeiten hart bestraft!« Vanessa dachte an Ferdinand Rubanter, der mithilfe des Geldes und der Verbindungen seines Vaters vor Gericht womöglich noch mit einem blauen Auge davonkommen würde. Ein oder zwei Jahre Gefängnis aber würden den Tod ihrer Schwester niemals aufwiegen.
Während sie die nächsten E-Mails schrieb und sich zwischendurch mit Martin unterhielt, überlegte sie, was sie gegen diese Mörderbande ausrichten konnte. Zuerst, sagte sie
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