Vampirjagd: Roman (German Edition)
kommen sah, öffnete sie einladend die Tür.
»Guten Tag, was darf es denn sein?«
»Was zum Anziehen«, erklärte Vanessa. »Brot kaufe ich nämlich beim Bäcker!«
Die Verkäuferin lachte gezwungen und wies auf die einzelnen Regale. »Wollen Sie eine Bluse, einen Rock oder …«
»Keinen Rock, sondern Jeans.«
»Da hätte ich etwas ganz Besonderes, mit Strass verziert!« Die Verkäuferin wollte schon eine entsprechende Hose aus dem Regal ziehen, doch Vanessa schüttelte den Kopf und zeigte auf einen Stapel schwarzer Jeans.
»Ich möchte so etwas!«
»Die sind aber bei dem herrlichen Sommerwetter, das wir derzeit haben, arg düster«, wandte die Verkäuferin ein.
»Ich dachte, Sie wollen etwas verkaufen?« Um Vanessas Lippen spielte ein spöttisches Lächeln. Ihr ging es nicht um modischen Krempel, sondern darum, etwas zu finden, das für ihre Pläne geeignet war. Daher kaufte sie zwei schwarze Jeans, drei ebenfalls schwarze Blusen, eine Windjacke in derselben Farbe und fand zuletzt, als sie bereits bezahlen wollte, noch mehrere dunkle Kopftücher.
»Die hätte ich auch noch gerne«, sagte sie, und fragte dann, wo sie am besten Unterwäsche kaufen könnte.
»Da müssen Sie hundert Meter weiter und dann nach rechts«, erklärte die Frau, während sie Vanessa das Wechselgeld herausgab.
»Danke!« Vanessa nahm den Plastikbeutel mit ihren Neuerwerbungen und ließ den Laden hinter sich. Eine halbe Stunde später hatte sie sich Unterwäsche sowie passende Joggingschuhe besorgt und suchte auf dem Rückweg zu Martins Wohnung noch einen Drogeriemarkt auf, um die nötigen Toilettengegenstände zu kaufen.
Als sie in das Appartement zurückkehrte, schlief Martin immer noch. Allerdings sah er nicht mehr ganz so bleich aus, und das ließ sie aufatmen. Nachdem sie ihre Sachen beiseitegeräumt hatte, trat sie ans Bett und legte ihm prüfend die Hand auf die Stirn. Fieber hatte er zum Glück nicht.
Vanessa nickte erfreut. »Schlaf gut und wache nicht eher auf, bis ich wieder zurückkomme«, flüsterte sie. Für einen Moment glaubte sie, ihn geweckt zu haben, denn seine Augenlider flatterten kurz. Dann aber atmete er ruhig weiter und gab leise Schnarchtöne von sich.
»So ist es gut!« Damit beruhigte Vanessa vor allem sich selbst. Immerhin hatte sie diesen Mann in ihrer Gier beinahe ums Leben gebracht und war nun heilfroh, dass er noch lebte. Diejenigen, die ihre Schwester ermordet hatten, würden sterben müssen. Für einen Augenblick fragte sie sich, was danach kommen würde, schüttelte diesen Gedanken jedoch sogleich wieder ab.
4
Der Abend war lau und eigentlich zu hell für Vanessas Vorhaben. Ihr Ziel war die Grimmelshausengasse, in der Florian Grametz’ Familie ein Haus direkt am Modena-Park besaß. Sie umkreiste den Block und sah sich das Gebäude von allen Seiten an. Nun war sie doppelt froh um ihre scharfen Augen und empfindlichen Sinne.
Leicht würde es nicht werden, in dieses Gebäude einzudringen, dachte sie, doch irgendwie würde es ihr gelingen. Noch während sie darüber nachdachte, hörte sie hinter dem Zaun einen schweren Motor aufheulen. Das große Tor öffnete sich wie von Geisterhand, dann schoss ein schwerer, sehr neu riechender Sportwagen in einem Tempo heraus, als gäbe es keine Fußgänger, die den Gehweg vor dem Haus zu dieser Zeit kreuzen könnten. Da das Seitenfenster des Wagens heruntergelassen war, drang Vanessa Florian Grametz’ Geruch in die Nase. Der Kerl steht schon wieder unter Drogen, stellte sie fest.
Vanessa sah dem Auto nach und begriff, dass sie an dieser Stelle und an diesem Abend nichts mehr würde ausrichten können. Enttäuscht war sie darüber jedoch nicht. Ein Jäger musste Geduld aufbringen, wenn er sein Wild erlegen wollte. Sie konnte auch noch andere Dinge erledigen. Mit diesem Gedanken kehrte sie zur U-Bahn-Station zurück und fuhr weiter, um sich das Heim der Familie Oberhuber anzusehen.
Auch diese gehörte zur Oberschicht von Wien, was ihre feudale Jugendstilvilla in der Nähe der Hofburg unterstrich. Auch hier roch Vanessa, dass ihr Opfer nicht anwesend war, und wandte sich dem letzten Haus zu, das sie vor dem Morgengrauen unter die Lupe nehmen wollte.
Die Rubanter-Villa lag außerhalb des Stadtzentrums, so als hätte Ferdinand Rubanter senior es nicht nötig, sich in der Nähe des Bundeskanzlers und der politischen Elite des Landes anzusiedeln. Das Gebäude war ein protziger Klotz, der noch drei Nummern kleiner als ansehnliche Villa durchgegangen wäre, und
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