Vampirzorn
empfangen.
Tatsächlich handelte es sich um einen von Daham Drakeshs Leutnanten, einen langjährigen Schläfer und großartigen Telepathen, der seine Fähigkeit auch über große Distanzen hinweg einzusetzen vermochte und bereits vor Jahren in Lucknow einen Unterschlupf als Basis für Drakesh errichtet hatte. Und je näher die Wiederkunft des Hunde-Lords rückte, desto dringender brauchte der letzte Drakul einen Leutnant auf den Britischen Inseln, genauer: in Schottland, um den Kontakt zu seinen dortigen Knechten herzustellen und die Befehlsgewalt über sie zu übernehmen. Dahams Blutsohn und Erster Leutnant, Mahag, war zusammen mit einem gemeinen Knecht von Radus Leuten getötet worden; seitdem war die Verbindung zu den vier noch überlebenden »Jüngern« abgerissen.
Drakesh hoffte nur, dass die vier begriffen, dass sich mit dem Tod seines Blutsohnes auch ihr Auftrag geändert hatte. Ihre Tarnung war aufgeflogen, damit waren sie nicht länger inkognito. Sie mussten aufhören, die Lockspitzel zu spielen, und den Hunde-Lord mitsamt den Ferenczys in Ruhe lassen. Doch obwohl seine Knechte entbehrlich waren, wollte der letzte Drakul es nicht einfach dabei belassen.
Immerhin handelte es sich bei seinen Gefolgsleuten um Vampire, und sie befanden sich meilenweit außerhalb jeder vernünftigen Möglichkeit, sich mit ihnen zu verständigen oder sie unter Kontrolle zu halten. Mehr noch, er wusste, dass die britischen Behörden bereits nach ihnen fahndeten, dabei hatte er ohnehin bereits genügend Probleme mit der Bürokratie. Zum Beispiel mit diesem Idioten in seinem Büro auf dem Kwijiang-Boulevard in Chungking, Oberst Tsi-Hong, einem regulären Offizier der Roten Armee, den die Chinesen ihrer paramilitärischen Abteilung für Parapsychologische Forschung überstellt hatten.
Seit Drakesh sich vor einigen Wochen gezwungen gesehen hatte, den viel zu neugierigen Major Chang Lun – den befehlshabenden Offizier der kleinen Garnison in Xigaze – umzubringen, übte Tsi-Hong zunehmend Druck auf ihn aus. Nicht dass ihn irgendjemand mit Chang Luns »Unfall« in Verbindung bringen konnte; da das Land ringsum tief im eisigen Griff des Winters und das ganze Gelände unter eisverkrusteten Schneewehen begraben lag, hatten sie den Leichnam des Majors ja noch nicht einmal entdeckt. Und wenn sie ihn schließlich fanden, was dann?
In der Nacht, als Chang Luns Fahrer den Snowcat keine zwei Kilometer vor der Garnison von Xigaze kopfüber in eine Gletscherspalte lenkte, hatte ein Schneesturm getobt, und obwohl Tsi-Hong bekannt war, dass Drakesh über einige sonderbare Talente verfügte, würde er ihm doch gewiss niemals zutrauen, einen Blizzard heraufzubeschwören!?
Ach, wirklich nicht? Und doch hatte der letzte Drakul, Hohepriester seiner Sekte, von seiner Residenz im düster drohenden »Kloster Drakesh« aus ebendies getan! Als Chang Lun, nachdem er das Kloster und die ummauerte Stadt ausgespäht hatte, nach Xigaze zu fliehen versuchte, hatte Drakesh ihn mithilfe seiner ihm dienstbaren Albinofledermäuse seinem Verhängnis entgegengetrieben, indem er das Unwetter heraufbeschwor. Anschließend ...
... herrschte ein paar Tage lang Schweigen, ehe eine rege Nachrichtentätigkeit einsetzte. Botschaften wurden von Chungking an die Garnison übermittelt und per Hand an Daham Drakesh weitergeleitet. Selbstverständlich hatte er gewusst, dass Chang Lun ihm feindlich gesinnt war und dass der Major seine Vorbehalte ihm gegenüber wohl auch Tsi-Hong mitgeteilt hatte; aber er war davon ausgegangen, dass der Oberst so sehr auf sein »Experiment«, eine Streitmacht aus Supersoldaten für die Rote Armee aufzustellen, versessen war, dass man ihn kaum mehr als nötig überwachen und ihm auch nicht ins Handwerk pfuschen würde. Aber offensichtlich hatte er sich geirrt.
Oberst Tsi-Hong wusste über Drakeshs Leute in England Bescheid. Und da er Drakeshs Worten, es handle sich lediglich um Agenten, die verdeckt Informationen über die britische ESP-Organisation einholten, Glauben geschenkt hatte, hatte er deren Entsendung sogar zugestimmt. Doch nun, wo die Nachrichtendienste des chinesischen Militärs britische Presseberichte über ihre Ausweisung auffingen und der Oberst höchstselbst seinen Vorgesetzten Rede und Antwort stehen musste, wollte er wissen, welches Spiel Drakesh, zum Teufel noch mal, eigentlich spielte.
Was denn? Ein Sektenkrieg? Schießereien, Morde, Ausweisungen? Was, wenn die britischen Behörden Drakeshs Leute in Haft nahmen und eine
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